Bayern feiern die Null

Auch der FCB kann im Celtic Park nicht gewinnen. Weil es immerhin zu einem torlosen Remis reicht, dürfen die Münchner nun doch noch aufs Weiterkommen in der Champions League hoffen

aus Glasgow RALF SOTSCHECK

Wenn beim Roulette 62-mal schwarz gekommen wäre, setze er auf Rot, sagte Bayern-Manager Uli Hoeneß vorgestern vor dem Champions-League-Spiel bei Celtic Glasgow. Dann wurde das Spiel gemacht und es kam: die Null. Zwar sind die Schotten nach dem torlosen Unentschieden nun sogar 63 Spiele in Folge im Celtic Park ungeschlagen, aber unterm Strich nützt das Ergebnis den Bayern mehr als Celtic. Beide Teams können die Gruppe A am 10. Dezember zwar gewinnen, genauso gut können sie aber auch Letzter werden und sogar die Trostrunde, den Uefa-Pokal, verpassen. Und: Bayern scheint es daheim gegen Anderlecht leichter zu haben als Celtic in Lyon, wo die Schotten nicht verlieren dürfen – was in Anbetracht ihrer fatalen Auswärtsschwäche kaum zu verhindern sein wird.

Ohne ihre Fans ist die Mannschaft aus Glasgow nichts. Der Celtic Park ist das schönste Fußballstadion Großbritanniens. Wegen der engen Bauweise und dem Rundum-Dach hallt es wie in einer Kathedrale, so dass die 60.000 Zuschauer Lärm für doppelt so viele machen. Nur einmal schwiegen sie vorgestern entsetzt: als Hayley Westenra, eine Klassiksängerin aus Neuseeland, ihnen vor Spielbeginn die klassische Version von „You’ll never walk alone“ mit einer Stimme vortrug, die Glas zum Bersten hätte bringen können.

Die Fans antworteten mit „The Fields of Athenry“, einem melodiösen Lied über die Verbannung irischer Rebellen nach Australien – ein ungewöhnlicher Schlachtgesang in einem Fußballstadion. Aber Celtics Geschichte ist ja auch ungewöhnlich. Der Verein wurde 1888 von irischen katholischen Priestern gegründet, damit ihre emigrierten Landsleute neben dem Alkoholkonsum eine Freizeitbeschäftigung hatten.

Das Spiel war nicht hochklassig, aber sehr unterhaltsam, weil es schnell war. Die Schotten waren überlegen, ohne echte Torchancen herauszuspielen. Fast hätte Bayern-Torwart Oliver Kahn ihnen eine beschert, als er kurz vor der Halbzeitpause den Ball fallen ließ und ihm wie ein Käfer hinterherkrabbelte. Kahn starrte das angeblich unebene Rasenstück wütend an, versetzte ihm einen Fußtritt und machte danach keinen Fehler mehr.

Sie mögen Kahn in Glasgow nicht, er wurde von Anfang an ausgebuht, sobald er in die Nähe des Balls kam. Er werde niemals einen Beliebtheitswettbewerb gewinnen, lästerte der Herald, und ein Zuschauer meinte: „Er sieht aus wie ein arrogantes, furchteinflößendes Arschloch.“ Vielleicht lag es an den orangefarbenen Streifen auf seinem Trikot. Das ist die Farbe der nordirischen Unionisten, die besser zu Celtics protestantischem Lokalrivalen Rangers passt.

In der letzten Viertelstunde waren die Celtic-Spieler dann stehend k. o., sie waren 75 Minuten lang wie die Hasen über das Spielfeld gelaufen und hatten den Ball ein ums andere Mal hoch nach vorne geschlagen. Dort sollte der liebe Gott oder Henrik Larsson helfen. Dem Schweden, der vorgestern sein 70. Europacupspiel für Celtic bestritt, werden sie wohl ein Denkmal bauen, wenn er zurücktritt – oder bereits vorher, wenn er in Lyon in zwei Wochen das Siegtor schießt. Vor vier Jahren brach er sich dort allerdings das Bein.

Gegen die Bayern war John Hartson der gefährlichere Stürmer. „Es hat gar keinen Sinn, ihn anzuspringen“, meinte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld nach dem Spiel, „er ist wie ein Büffel.“ Der Bayern-Trainer war mit dem Unentschieden zufrieden, obwohl seine Mannschaft die besseren Chancen hatte. „Habt ihr gesehen“, fragte Celtics irischer Trainer Martin O’Neill überrascht, „wie die Bayern bei Spielende gefeiert haben?“ Hitzfeld prophezeite großzügig, dass sowohl Bayern als auch Celtic die nächste Runde erreichen werden. Das hört man gerne bei Celtic, das an große Zeiten anknüpfen möchten, schließlich war Celtic der erste Verein der britischen Inseln, der den Europacup der Landesmeister gewann. Das ist allerdings 36 Jahre her.

Die derzeitige Mannschaft hat außer ihrer enormen Kampfkraft nicht allzu viel zu bieten. Außer Larsson ist Mittelfeldspieler Neil Lennon der Einzige von internationalem Format. Der Nordire spielt jedoch nicht mehr für die Nationalmannschaft: Seine Familie wurde von protestantischen Fans mit Mord bedroht, weil Lennon die falsche Religion hat. In Nordirland wie in Glasgow gehören Sport und Politik eng zusammen.

Beim Festbankett der Bayern, bei dem Langusten und schottisches Angus-Steak gereicht wurden, strahlte Manager Uli Hoeneß. „Wir können es nun aus eigener Kraft schaffen“, sagte er. Und: „Das war der Wendepunkt. Nun geht es auch in der Bundesliga wieder aufwärts.“