Gern sachlich, keine Bauchredner

betr.: „Zwei unauffällige Bürger“ (Kindermörder von Eschweiler) von Bernd Müllender, tazzwei vom 22. 11. 03

Warum wird in dem Artikel Ulla Schmidt erwähnt? Was hat der Aachener Stimmklang mit der unglaublichen Tat zu tun? Warum stellt man den Anwalt in finsterstes Licht, indem man die Berührung seines Mandanten reißerisch aufmacht? Was würde in unserer Demokratie mit solchen Tätern geschehen, wenn sich überhaupt kein Verteidiger verpflichten ließe, ihnen den gesetzlich vorgeschriebenen Beistand zu leisten? […] Ich sähe meine taz gerade in solch extremen Fällen gern sachlich, nicht als Bauchredner.

HANS-JÜRGEN SITTEK, Rheinberg

Es ist bestimmt nicht einfach, über einen solchen Prozess angemessen zu berichten und für eine so entsetzliche Tat wie den Mord an den beiden Kindern die richtigen Worte zu finden. Teilweise gelingt Bernd Müllender die schwierige Balance zwischen persönlichem Gefühl, Entsetzen, Hilflosigkeit … und journalistischer Distanz. Sehr unangemessen finde ich allerdings die wiederholten Bemerkungen über den „Handanleger“, Strafverteidiger Wolfram Strauch.

Dieser hat offenbar die Dreistigkeit besessen, seinen Mandanten trotz allem als Mensch zu behandeln, indem er ihm kurz die Hand auf die Schulter legte. Durfte er das? Sollten solche „Monster“ nicht zur Strafe aus der Gemeinschaft der zivilisierten Menschen ausgestoßen werden (in der sie anscheinend nie richtig drin waren)? Macht das die toten Kinder wieder lebendig? Verhindert es zukünftige Verbrechen? Hinter Ihrer Empörung vermute ich die wahrscheinlich unlösbare Frage, wie weit Verständnis und Einfühlung in die Hintergründe menschlicher Taten gehen können/dürfen/müssen, ohne dadurch die Opfer zu verhöhnen.

Vielleicht sind es Gesten wie diese, die einen kaputten Menschen überhaupt erst wieder öffnen und Reue und Veränderung möglich machen können. Vielleicht auch nicht. Mit Ihrer Wortwahl („Handanleger“) provozieren Sie jedenfalls ziemlich eindeutig sexuell besetzte Assoziationen, die den Pflichtverteidiger in die Nähe der Verbrecher rücken, ihm womöglich Sympathie für die Täter unterstellen. Das ist unfair und sehr undistanziert, solange es außer dieser einen Geste keine weiteren Kritikpunkte gibt. Das deutsche Recht auf Rechtsbeistand vor Gericht, egal in welchem Fall, hat seinen Sinn und seine historischen Gründe. Einen Pflichtverteidiger auf diese unterschwellige hämische Weise ins schlechte Licht zu rücken ist Boulevardstil, den ich in der taz nicht lesen will.

J. LITSCH-LANDFRIED, Oldenburg