USA: DIE „MEDICARE“-REFORM KÖNNTE BUSHS WIEDERWAHL SICHERN
: Befreiungsschlag mit Langzeitfolgen

Der Grundstein für die Wiederwahl von George W. Bush ist gelegt: Der republikanisch dominierte Kongress hat die größte Umwälzung der staatlichen Gesundheitsversorgung für Rentner seit deren Einführung vor 40 Jahren beschlossen. Das „Medicare“-Gesetz – Volumen: 400 Milliarden Dollar – sieht eine zusätzliche Kostenerstattung für Medikamente vor und soll vor allem Senioren mit hohen Arzneimittelrechnungen helfen.

Für das Weiße Haus ist die Entscheidung ein Befreiungsschlag rechtzeitig zum Wahlkampfauftakt. Endlich präsentiert sich Bush mal als „Konservativer mit Herz“. Der Sieg ist noch viel süßer, weil es gelang, den Demokraten ein ureigenes Thema abspenstig zu machen. Bushs Kalkül: Die von den Republikanern lange vernachlässigten Senioren werden beim Urnengang 2004 die staatlichen Wohltaten zu würdigen wissen und ihr Kreuz beim Amtsinhaber machen. Obendrein hat dieser den Demokraten eine Lektion in Machtpolitik erteilt. Mit nächtlichen Anrufen brachte der Präsident Abweichler aus den eigenen Reihen auf Linie. Seine Parteifreunde im Kongress setzen parlamentarische Spielregeln außer Kraft, um die Reform durchzupeitschen. Die Opposition hatte dem nichts entgegenzusetzen. Und für die Wähler zählt ohnehin letztendlich nur das Ergebnis.

Natürlich hat auch dieser Sieg seinen Preis. Im neuen Gesetz lauern Fallsticke, die die Bush-Regierung zwar nicht zu Fall bringen, ihr aber doch unangenehm werden könnten. Für eingefleischte Konservative ist die Reform Verrat an republikanischen Werten. Bush bläht den Staat und das Haushaltsdefizit weiter auf. Zudem verbietet das Gesetz Preisbeschränkungen bei Medikamenten und den Import billigerer Arzneien aus dem Ausland – zur Freunde der US-Pharmaindustrie. Die Kostenspirale wird sich also weiterdrehen. Zudem könnten viele Arbeitgeber aus der existierenden betrieblichen Arzneimittelkosten-Hilfe aussteigen.

Doch Bushs Republikaner haben vorgesorgt. Das Gesetz wird erst 2006 wirksam. Bis dahin ist die Wahl längst gelaufen, und wer kümmert sich vorher schon um die Details. MICHAEL STRECK