Die guten Jahre sind vorbei

Am Samstag endete das 4. „Treffen in Telgte“. 12 Dichter diskutierten drei Tage über ein Thema, das ihnen ein Geldgeber vorgeschrieben hatte. Beim Abschlussgespräch fehlten ihnen dann die Worte

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Schriftsteller sind eher scheu. Deshalb schätzen sie die Abgeschiedenheit. Ein Städtchen wie das münsterländische Telgte, wo die Straßen noch holprig und die Menschen noch unaufdringlich sind, scheint da geradezu ideal, um drei Tage in Klausur zu gehen – ohne ständig von Kameras verfolgt zu werden.

Man wolle in Ruhe miteinander reden, fachsimpeln, sich nicht erklären müssen, sagte der Berliner Schriftsteller Thomas Lehr, einer der zwölf Teilnehmer des 4. „Treffens in Telgte“, beim Abschlussgespräch am Samstag. Lehr war zu diesem Zeitpunkt noch einer der redseligsten. Seine Kollegen machten hingegen einen müden, abgeschlagenen Eindruck und förderten nur ein paar magere Erkenntnisse zutage. Thesen aber, handfeste Resultate drangen nicht nach außen. Reden ist eben anstrengend.

Vor allem dann, wenn ein Thema behandelt werden soll, das nicht dem eigenen Geist entsprungen ist, sondern vom Sponsor vorgeschrieben wurde. Beim zweiten und dritten Treffen wurde noch das aktuelle Weltgeschehen thematisiert: der Krieg in Jugoslawien, das Attentat in New York. Diesmal aber hatte die Stiftung Westfaleninitiative ihre Unterstützung nur für den Fall zugesagt, dass die Autoren über das Leitmotto „Menschen prägen Regionen – Regionen prägen Menschen“ diskutieren. Interessant, dass die Leipziger Autorin Angela Krauss vor diesem Hintergrund ein Treffen lobte, bei dem man Kollegen kennen lerne, „die ebenfalls nicht nur an Geld denken.“ Warum auch? Die Finanzierung war ja gesichert.

Das „Treffen in Telgte“, 1988 von Günter Grass in Anlehnung an seine gleichnamige Erzählung initiiert, tut sich mit der Themenbindung keinen Gefallen. Sicherlich: Die Kosten müssen gedeckt werden. Aber deshalb gleich die Kunst der Wirtschftlichkeit zu unterwerfen? Auch Hermann Wallmann, der die Gespräche moderiert hat, zweifelt, ob man sich künftig wieder ein Leitmotto vorgeben lassen solle.

Was wirklich herausgekommen ist bei dem Treffen, wird sich indes erst später zeigen. Wenn sich die Dichter wieder über die Tasten beugen und zu schreiben beginnen. Obwohl: Die Gespräche wirkten weniger in Zukunft, als vielmehr in die Vergangenheit, sagte der Schweizer Michael Donhauser. Erst wenn man verstanden habe, was man gemacht hat, könne man wieder nach vorne blicken. Das dürfte einige Zeit dauern.