fußpflege unter der grasnarbe
: Ärsche, Abseits, Aufenthaltsgenehmigung

Was so nicht stimmt: Frauen gehen nur ins Stadion, um sich Männerärsche anzugucken. Frauen wissen nicht, was Abseits bedeutet. Natürlich schauen wir Frauen auch auf Klasnics Hintern und finden die Werder-Trikots ob ihrer Figurbetonung schöner als die schlapprigen Baumwollshirts unserer Freunde, Ehemänner oder Brüder im Oberliga-Verein.

Aber dass wir deshalb keinen blassen Schimmer vom Spiel haben, kann man so pauschal nicht sagen. Gut, die meisten von uns können vielleicht nicht die Statistiken aus dem Kicker-Almanach im Schlaf herunterbeten, nicht sagen, wie viele Tore des HSV in dieser Saison per Kopf erzielt wurden, aber wen interessiert das schon. Nur weil manch ein Mann Listen über jedes Bundesligaspiel führt und alle Tore fein säuberlich in einem Vokabelheft protokolliert, ist er doch noch lange nicht der bessere Fan. Immerhin waren 68 Prozent der befragten Frauen bei einer Erhebung im Auftrag der Guinness-Brauerei in der Lage, die Abseitsregel verständlich zu erklären – bei den Männern waren es nur 53 Prozent.

Das ist kein Scherz, das kann man nachlesen. In „Watching the Boys Play – Frauen als Fußballfans“, erschienen im Agon Sportverlag, räumt Nicole Selmer mit einigen der Vorurteile auf, die wir uns bei jedem Spiel wieder anhören dürfen. Zweiundzwanzig Frauen haben von ihren Fußballerlebnissen berichtet, auf der Tribüne und auf dem Sofa. Es geht um das erste Spiel genauso wie um die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Fans. So sagt zum Beispiel die 29-jährige Nadja, sie sei stundenlang damit beschäftigt, wenn einer im HSV-Dress auf dem Boden liege. „Ich muss auch wissen, wer das ist, vorher habe ich keine Ruhe. Die Jungs gucken dann den Rest des Spiel, aber ich muss wissen, wer da liegt, denn dann weiß ich auch erst, ob er wieder aufsteht.“ Männer haben meist nur Mitleid mit einem Spieler, wenn der einen Tritt in den Intimbereich bekommt.

Die Millerntorgänger Laura und Kathrin vergleichen das Gekicke auf dem Platz mit den Dramen, die sich tagtäglich auf der Mattscheibe abspielen. „Fußball hat eben schon was von einer Daily Soap, wenn man neben dem Sport auch viel mitkriegt, was die Personen angeht. Das ist schon so ein ... Parallelleben“, meint auch BVB-Fan Isabell. Recht haben sie. Schauen wir uns doch mal den VfL Wolfsburg an: Letzte Woche kläglich 0:4 gegen Nürnberg verloren, D‘Alessandro hat nach acht Minuten Rot gesehen, weil er sein südamerikanisches Temperament nicht zügeln konnte. Diese Woche dann das 3:0 gegen den VfB Stuttgart, der schon am Dienstag im Pokal gegen die Bayern wirkte wie ein verunsicherter Regionalligist. Wolfsburg bleibt Tabellenführer.

Oder Hannover 96: Zu Beginn der Saison am Tabellenende, „Lienen raus“-Rufe hallten durchs Stadion – jetzt ist Hannover Vierter. Wenn es ganz mies läuft, muss der Trainer gehen. Weil Toppi nicht geliebt wurde und Hamburg nicht lieben wollte, verlängerte der HSV seine Aufenthaltsgenehmigung nicht und schickte ihn zurück in die Pfalz. Da fühlt man sich doch erinnert an Gute Zeiten, schlechte Zeiten, wo Elisabeth und der Südafrikaner Vincent eigentlich nur geheiratet haben, damit er in Deutschland bleiben kann. Er verliebte sich aber in die viele Jahre ältere Lehrerin, sie sich irgendwann auch in ihn, doch keiner von beiden glaubte an ein Happy End. In dieser Woche haben sie sich endlich ihre Liebe gestanden, so wie der HSV vor drei Wochen Thomas Doll. Alles wird eben gut, irgendwann.

Um auf die Männerärsche zurückzukommen: Es war ein Mann, der mich auf den Allerwertesten von Herrn Klasnic aufmerksam gemacht hat.