Mit selten gesehener Entschlossenheit

Hertha BSC gewinnt erstmals seit 35 Jahren wieder in Schalke. Beim 3:1-Sieg erwies sich erneut die Einwechslung von „Zecke“ Neuendorf als Glücksgriff des Trainers. Er leitete das zweite Tor ein und verhinderte einen fast sicheren Gegentreffer

AUS SCHALKE HOLGER PAULER

Um den später „historisch“ genannten Auswärtssieg auf Schalke zu realisieren, griff Hertha-Trainer Falko Götz zu einer zunächst unverständlichen Maßnahme. In der 68. Minute wechselte er beim Stand von 1:1 Andreas „Zecke“ Neuendorf für den aggressiven, aber Gelb-Rot-gefährdeten Yildiray Bastürk ein. Ergebnisverwaltung schien angesagt. Zur Überraschung aller orientierte sich Neuendorf weit nach vorne und leitete mit einer dynamischen Einzelleistung das 2:1 durch Nando Rafael ein – drei Minuten später klärte er auf der Torlinie einen Sand-Kopfball und legte so die Grundlage für den Auswärtssieg. „Zecke macht immer außergewöhnliche Dinge“, sagte Götz hinterher, „er war am Sieg maßgeblich beteiligt.“

Wie überhaupt das gesamte Team die Vorgaben des Trainers in selten gesehener Entschlossenheit umsetzte: „Wir wussten, dass Schalke eine harte Woche hinter sich hatte, daher wollten wir sie beschäftigen“, bezeichnete Götz die Pokalstrapazen der Schalker als Schlüssel zum Spiel. 24 Partien mussten die Gastgeber in Liga, DFB-Pokal, Uefa- und Ui-Cup austragen. Hertha musste nur 14-mal ran.

Vor allem in der Schlussphase merkte man die Kraftvorteile. Im Mittelfeld wurde jeder verlorene Ball zurückerkämpft. Die sicheren, allerdings eher kopfballstarken Alexander Madlung und Josip Simunic gewannen am Ende gegen die nachlassenden Schalker Ailton und Gerald Asamoah sogar die Laufduelle. Und vorne war der überragende, überraschend als zweite Spitze aufgestellte Marcelinho von der durchaus starken Schalker Defensive nicht zu kontrollieren.

„Er hat mir in der Woche gesagt, dass er lieber vorne spielt“, sagte Falko Götz, „und heute hat er gezeigt, wozu er auch vorne fähig ist.“ Und das soll so bleiben. Noch auf dem Rasen analysierten Trainer und Spieler nach Schlusspfiff das Spielgeschehen.

Ob es dabei auch um die Szene zum 1:0 ging, blieb unklar. Nach einer Kopfballverlängerung von Nando Rafael befand sich Marcelinho in knapper und schwer erkennbarer Abseitsposition. Für Schalkes Trainer Ralf Rangnick – zuvor in allen von ihm geleitetende sechs Spielen siegreich – „eine spielentscheidende Situation“. Götz hatte dafür nur ein kurzes, ungläubiges Lachen über. „Ich will ja auch nichts schönreden“, korrigierte sich Rangnick später, „der Sieg der Hertha war schon verdient.“ Immerhin korrigierte Hertha-Torhüter Christian Fiedler kurz nach der Halbzeit die Schiedsrichterentscheidung und ließ bei seiner einzigen Unsicherheit eine Flanke durch die Hände rutschen. Gerald Asamoah staubte zum zwischenzeitlichen Ausgleich ab.

Welche personellen Konsequenzen der Auswärtssieg hat, ist dabei noch nicht abzusehen. „Edeljoker“ Neuendorf zeigte sich vorsichtig optimistisch, irgendwann von seiner Bankrolle erlöst zu werden: „Ich muss warten, bis meine Zeit kommt.“ Yildiray Bastürk wirkte da schon etwas entschlossener. Die Auswechslung kommentierte er mit einem dezenten Tritt gegen die Getränkeflaschen. Ob der sich gegen den Trainer oder den kleinlich pfeifenden Schiedsrichter Herbert Fandel richtete, ließ er offen.

Für den im benachbarten Wanne-Eickel aufgewachsenen Türken sind Spiele gegen Schalke immer etwas Besonderes, zumal er als Nicht-Schalke-Fan in seiner Heimat immer „einen schweren Stand“ hatte, wie Bastürk sagte. Sein erstes Bundesligator erzielte er vor sechs Jahren gegen Schalke – damals noch im Trikot des VfL Bochum. Entsprechend motiviert trat er am Samstag auf und trug bis zu Auswechslung dazu bei, dass die Hertha ihren ersten Sieg auf Schalke seit 35 Jahren feiern konnte.