Islamisten auf Kuschelkurs

Die 800 Teilnehmer der israelfeindlichen Al-Quds-Demonstration gaben sich am Samstag ausgesprochen harmlos. Übersetzer der Polizei kontrollieren Transparente. Gegendemo mit Westpop

von DANIEL KASTNER
und ANNA MECHLER

Das Medieninteresse an der Al-Quds-Demo am Samstag war so groß, dass die aus ganz Deutschland angereisten Teilnehmer am Startpunkt auf dem Adenauerplatz gegenüber Polizei und Journalisten in die Minderheit gerieten. Kameras ragten aus der Menge, jeder Vollbartträger wurde ausgequetscht. Doch die befürchteten islamistischen oder antisemitischen Äußerungen bekamen sie nicht zu hören.

In den letzten Jahren waren die Al-Quds-Demos, die auf einen israelfeindlichen Aufruf des iranischen Ajatollah Chomeini von 1979 zurückgehen, durch antisemitische Parolen aufgefallen. Diesmal sorgte die Polizei vor: Sämtliche Transparente hatte die Einsatzleitung vorab auf „strafrechtlich relevante Aussagen“ überprüft. Dafür hatte die Polizei eigens Übersetzer herangezogen.

Ein Sprecher der als Schweigemarsch deklarierten Demo forderte die knapp 800 überwiegend arabischstämmigen Teilnehmer auf, keine Puppen oder Fahnen zu verbrennen. Dann zogen sie Richtung Kantstraße. Die Organisatoren hatten wegen der medialen Aufmerksamkeit eine Sprachregelung ausgegeben: Keine explizit antijüdischen Statements. Einem Halbwüchsigen rutschte doch eines heraus. Während die meisten von der „Befreiung Palästinas“ und einem „Jerusalem für alle Konfessionen“ sprachen, fügte er hinzu: „Außer für Zionisten“.

Viele Teilnehmer gaben an, „aus Solidarität mit den Palästinensern“ gekommen zu sein. Der Tod Arafats spielte indes kaum eine Rolle. Auf Spruchbändern standen Allgemeinplätze wie „Gegen Unterdrückung“. Dazu wurden Fotos vom US-Folterknast Abu Ghraib und den Ajatollahs hochgehalten.

Die Nagelprobe ihrer zur Schau gestellten Friedfertigkeit erwartete die Demonstranten an der Schlüterstraße, wo sich knapp 200 Al-Quds-Gegner versammelt hatten. Als der Demonstrationszug vorbeikam, dröhnte betont westliche Popmusik – wie etwa „Relax“ von Frankie Goes To Hollywood – über die Szenerie hinweg, hinter einer Wand aus Polizeiautos wurden israelische und US-Flaggen geschwenkt. Die Al-Quds-Demonstranten marschierten mit der Faust in der Tasche vorbei – auch, als auf der anderen Seite „Solidarität mit Israel“ skandiert wurde. „Wieso dürfen die das?“, beschwerte sich ein Demonstrant, der sich provoziert fühlte. Trotz angespannter Stimmung blieben Zusammenstöße aus – nicht zuletzt wegen der massiven Polizeipräsenz.

Hinter der Absperrung protestierte das angekündigte „breite zivilgesellschaftliche Bündnis“ – eine bunte Mischung aus AntifaschistInnen, jüdischen Organisationen und schahtreuen Exil-IranerInnen – gegen die Al-Quds-Demo. Ein gemeinsames Statement der Gegendemonstranten gab es nicht, jeder sprach für sich, und manche mussten erst mal ihren Standpunkt ausdiskutieren.

Richtig befriedigend war der Tag für keinen, zumal beide Veranstaltungen weit weniger Menschen mobilisiert hatten als erhofft. Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung und Mitorganisatorin der Gegenveranstaltung, nannte es trotzdem einen Erfolg, „dass die Islamisten nicht mehr einfach so in der Öffentlichkeit ihre Meinung sagen können“. Beide Seiten wollen nächstes Jahr wieder kommen.