Schön verlieren mit Poss

Unter dem neuen Bundestrainer spielt die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft zwar offensiver, keineswegs aber erfolgreicher. Schon wünschen sich die Ersten Vorgänger Hans Zach zurück

AUS HANNOVERCHRISTIANE MITATSELIS

Altbundestrainer Hans Zach ließ es sich dieser Tage auf Gran Canaria so richtig gut gehen. Seine ehemaligen Eleven der Eishockey-Nationalmannschaft und ihr neuer Coach Greg Poss hatten hingegen weniger Spaß. Sie verloren beim Deutschland-Cup in Hamburg und Hannover vor meist entsetzlich leeren Rängen ein Spiel nach dem anderen. Das tolle neue Offensivsystem des ehrgeizigen Amerikaners, der sowieso vieles besser machen will als Defensivfetischist Zach, klappte überhaupt nicht. Nach der gestrigen 2:5-Pleite zum Abschluss gegen Kanada lautete die trostlose Bilanz der Deutschen: 1 Punkt sowie 6:18 Tore. Ex-Alpenvulkan Zach hätte da aus der Ferne durchaus triumphieren können. Doch mit vermutlich altersbedingter Gelassenheit bemerkte der 55-Jährige: „Dazu sage ich sowieso nichts.“ Er habe sich die Spiele nicht einmal im TV angesehen, behauptete er. Geglaubt hat ihm das natürlich niemand.

Poss gab derweil den überzeugten Optimisten – trotz des 1:5 gegen die USA, eines 1:2 gegen die Schweiz, eines 2:6 gegen die Slowakei sowie des gestrigen 2:5 gegen Kanada. Der Mann aus New Orleans ist, anders als sein Fußball-Kollege Jürgen Klinsmann, ein echter – und kein angelernter –, grundsätzlich positiv denkender Ami. Und so führte er eindrucksvoll vor, wie man Niederlagen so richtig prima finden kann. „Das Gute ist“, sagte er beispielsweise nach der Pleite gegen das Team aus seiner Heimat, „dass wir einfache Fehler gemacht haben. Das lässt sich leicht korrigieren.“ Und vor allem: „Wir hatten 40 Minuten lang mehr Torchancen als die USA, haben sie aber nicht genutzt.“ Daran lasse sich arbeiten, findet Poss. Sein Lieblingssatz nach den folgenden Pleiten: „Es ist alles ein Prozess. Irgendwann geht alles automatisch, und dann können wir uns mehr auf das Torschießen konzentrieren.“

Schön ist auf jeden Fall: Unter Poss’ Regie sehen Niederlagen besser aus als früher. Er hat das Spiel nach vorn verlagert, setzt auf eine Art Torpedo-Eishockey. Unter ihm sollen die deutschen Profis den Gegner in dessen Drittel attackieren. Poss lässt Forechecking mit zwei Stürmern spielen, nur der Linksaußen muss Defensivaufgaben übernehmen. Zach glaubte dagegen nicht daran, dass seine Spieler technisch und läuferisch weit genug seien, um so etwas auf internationalem Niveau erfolgreich zu praktizieren. Und die Spiele beim Deutschland-Cup waren nicht unbedingt dazu geeignet, das Gegenteil zu beweisen. Zach setzte deshalb auf konsequentes Mauern. „Der hat immer gesagt: Okay, wenn wir mit den Top-Nationen nicht mithalten können, dann müssen wir sie so stören, dass sie vielleicht an sich zweifeln“, berichtet Nationalspieler Jan Benda. Immerhin kam Deutschland mit der Zach-Taktik dreimal ins WM- und einmal ins olympische Viertelfinale.

Das will Poss bei der nächsten WM im Frühjahr 2005 in Wien mindestens auch schaffen. Er kann bei seinen Spielern nämlich keine technischen Defizite entdecken. „Es ist alles eine Frage des Selbstvertrauens, wir müssen nur an uns glauben“, sagt er. Bei seinem DEL-Klub Nürnberg Ice Tigers arbeitet er gern mit drolligen Mental-Gurus, bei der Nationalmannschaft wurde bislang noch keiner gesichtet, wahrscheinlich ist das aber nur eine Frage der Zeit. Und wer weiß, vielleicht spielt Deutschland demnächst ja in knallrot; das soll ja Wunder wirken.

Die Spieler zeigen sich in der Mehrheit nicht minder optimistisch als ihr Trainer. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen und an uns glauben“, sagt beispielsweise Jan Benda. Ein wenig Skepsis zeigt hingegen Kapitän Stefan Ustorf. „Ich weiß nicht, ob wir genug Zeit haben, alles neu zu erfinden“, bemerkt er. Und: „Im Prinzip ist es ja so: Besser wir spielen Scheiße und gewinnen als umkehrt.“

Das erfüllt ziemlich genau die Spielmaxime vom Altbundestrainer. Wie überhaupt Hans Zach der eigentliche Gewinner des Deutschland-Cups ist, was schon an den (noch) leisen Stimmen deutlich wird, die sich den Metzgermeister aus Bad Tölz an die deutsche Bande zurückwünschten. Ob dazu ein bisschen auch Franz Reindl, der Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes, zählt? Bezüglich der weiteren Zusammenarbeit mit Poss, dessen Vertrag bis nächstes Jahr läuft, gab sich Reindl nach dem Deutschland-Cup überraschend bedeckt. „Wir haben keine Eile, zu verlängern“, sagte er. Im Frühjahr, nach der Verpflichtung des neuen Trainers, wollte der Sportdirektor noch am liebsten jahrelang mit Poss arbeiten.