GESUNDHEITSREFORM: CDU UND CSU SCHLIESSEN FAULEN KOMPROMISS
: Werte statt Politik

Es kommt, wie es kommen musste: Um des lieben Friedens in der Union Willen sind Angela Merkel und Edmund Stoiber nun doch endlich bereit, das Kriegsbeil zu begraben. Vielleicht schon heute, spätestens in den nächsten Tagen, werden die Chefs der Schwesterparteien CDU und CSU ein Papier vorstellen, das als gemeinsames Gesundheitsreformkonzept firmiert. Wird das der Befreiungsschlag nach einem Jahr Streit? Wohl kaum.

Die in der Union so lang herbeigesehnte Einigung ist ein fauler Kompromiss, der nur durch Termindruck möglich wurde. Einen offenen Konflikt auf den anstehenden Parteitagen der CSU am kommenden Wochenende und der CDU Anfang Dezember können sich weder Merkel noch Stoiber leisten. Gelänge es ihnen nicht, auf diesen Veranstaltungen Geschlossenheit zu demonstrieren, würde schnell der Ruf nach einem Dritten laut, der die Union einigen und in die Bundestagswahl 2006 führen sollte. Also müssen die Rivalen rechtzeitig Frieden schließen, um von der gesamten Union bejubelt zu werden. Nur wofür?

Gesundheit fällt als Stimmungsmacher und Wahlkampfknüller aus. Auch Merkel und Stoiber ist längst klar, dass sie ihr umständliches und widersprüchliches Kompromisskonzept mit halbierter Kopfpauschale und Teilfinanzierung durch Steuergelder beim besten Willen nicht als großen Wurf verkaufen können. Die Radikalreformer aus der Wirtschaft nörgeln – aus ihrer Sicht zu Recht –, dass vom Schwung der CDU-Beschlüsse aus dem vergangenen Jahr nichts mehr übrig sei. Auf den Parteitagen wird man deshalb zum Thema Gesundheit nur noch wenig hören, außer Floskeln und gegenseitigem Dank für die Kraft zum Konsens. Der sorgt zwar für Erleichterung, aber nicht für Begeisterungsstürme. Dafür brauchen Merkel und Stoiber andere Themen.

Also die Steuerpolitik? Nun ja. Die Bierdeckelreform des Friedrich Merz war ein Trumpf, ist aber dem Gesundheitsstreit zum Opfer gefallen. Bleibt noch der Arbeitsmarkt. Um von den anderen Flops abzulenken, gibt sich die Union auf diesem Feld jetzt besonders eifrig und einig. Der komplette Wegfall des Kündigungsschutzes ist jedoch selbst in den eigenen Reihen nicht wirklich beliebt und wird nur als angeblich notwendiges Mittel zum Zweck geschluckt. Das wird kein Hit für beifallsgierige Parteichefs. Zum Glück gibt’s einen Hoffnungsschimmer aus den USA: It’s the moral values, stupid! Diese Lehre scheinen Stoiber und Merkel aus dem Sieg von George Bush zu ziehen. Dessen so genannte Werte, vor allem Familie und Patriotismus, sollen auch die Union beglücken. Schon ist wieder von der „Leitkultur“ die Rede. Keine schönen Aussichten für die Republik. LUKAS WALLRAFF