Pfälzer CDU läutet zum Kulturkampf

Landeschef Christoph Böhr, gerade erst zum Spitzenkandidaten gekürt, geriert sich als Kreuzzugsprediger und Patriot

BAD KREUZNACH taz ■ Innerhalb weniger Tage scheint Christoph Böhr eine Metamorphose vollzogen zu haben. Bislang galt der 50-Jährige unter Parteifreunden als Schöngeist und viel zu braver Intellektueller. Auf dem Sonderparteitag der rheinland-pfälzischen CDU, der ihn nach überstandener Mitgliederbefragung zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Frühjahr 2006 kürte, sprach der Landesvorsitzende plötzlich von einem bevorstehenden Kulturkampf gegen die „gott- und vaterlandslosen Gesellen“.

Eine Kreuzzugspredigt also, engagiert vorgetragen von einem ausgebildeten Philosophen und Historiker in einem Bundesland, das von Böhr als „Wiege der christlichen Kultur in Europa“ bezeichnet wurde. Als steinerne Zeugnisse für diese These mussten die Dome in Mainz, Worms und Speyer herhalten, die Wegkreuze überall und „die schlanken Kirchtürme in unseren schmucken Dörfern“. Deutschland sei eben „keine AG, wie der Bundeskanzler meint, sondern unser Vaterland, das wir ins Herz geschlossen haben“.

Dem Plädoyer für den Erhalt der „Werte des christlichen Abendlandes“ schob Böhr schnell noch eine Solidaritätsadresse an den verhinderten EU-Kommissar Rocco Buttiglione nach. Nur wegen seines christlichen Glaubens sei der „Mann ohne Fehl und Tadel“ von den Linken im EU-Parlament „über die Reling geschubst worden“.

Stehende Ovationen der 440 Delegierten danach für Böhr. Ein seltenes Glücksgefühl für den Mann, dem die mächtigen Bezirksfürsten der Partei zuvor alle Fähigkeiten abgesprochen hatten, die Union nach 16 Jahren der Abstinenz wieder zurück an die Fleischtöpfe der Macht in Mainz zu führen. Knapp 80 Prozent der Delegierten stimmten in geheimer Wahl für den nun wohl unumstrittenen Herausforderer des populären SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck.

Nach der Grundsatzrede von Böhr ist klar, wohin die Reise bei der Union gehen wird: scharfe Polarisierung auf allen politischen Ebenen, inszeniert vor dem Hintergrund der Beschwörung der Werte des christlichen Abendlandes. Und zusätzlich gewürzt mit einer ordentlichen Prise Islamophobie: Das Kopftuchtragen aus politischen und religiösen Gründen jedenfalls, stellte Böhr schon einmal fest, werde von der CDU „niemals akzeptiert“.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT