SPD über Zukunft der Wehrpflicht zerstritten

Fachtagung der Partei endet ohne klares Votum. Verteidigungsminister Struck will am bestehenden System festhalten, jüngere Genossen fordern eine Freiwilligenarmee. Im nächsten Jahr soll der Parteitag die Frage endgültig entscheiden

BERLIN taz ■ Der Aufstand der Basis fand nicht statt. Ranghohe Befürworter der Wehrpflicht waren im Vorfeld der SPD-Fachtagung zum Thema, die an diesem Wochenende in Berlin stattfand, besorgt gewesen: Sie hatten befürchtet, dass von dem Kongress in der Parteizentrale ein klares Signal an die politische Führungsspitze ausgehen werde, die Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee umzuwandeln. So eindeutig fiel das Votum jedoch nicht aus.

Verteidigungsminister Peter Struck plädierte – erwartungsgemäß – für den Erhalt der Wehrpflicht. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr lassen ihm die Wehrpflicht als unverzichtbar erscheinen. Mit ausführlichen, komplizierten Berechnungen bemühte sich Struck darum, den Vorwurf mangelnder Wehrgerechtigkeit zu entkräften. Er erntete damit sogar bei einer Kabinettskollegin ungewöhnlich offenen Widerspruch. „Zahlenspielereien“, so Familienministerin Renate Schmidt, könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass nur noch ein Achtel der Wehrpflichtigen für die Bundeswehr gebraucht werde.

Die Ministerin trat dafür ein, die Wehrpflicht nach einer Übergangszeit von fünf bis sieben Jahren auszusetzen. Dies sei auch für Sozialeinrichtungen zu verkraften, die Zivildienstleistende beschäftigten. Die stellvertretende Parteivorsitzende Ute Vogt sprach sich für eine Abschaffung der Wehrpflicht aus. Der Juso-Vorsitzende Björn Böhning bezeichnete die gegenwärtige Praxis der Einberufung als „Willkür“.

Aber es gab auch andere Stimmen. Verteidigungspolitiker Rainer Arnold bezeichnete die derzeitige Wehrform als „die beste zum Wohle der Bundeswehr“. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Reinhold Robbe erklärte, die Welt sei durch die Zunahme von Terroranschlägen nicht friedlicher geworden. Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, sieht in der öffentlich ausgetragenen Debatte als solche ein positives Signal. Alle anderen Parteien hätten sich in der Frage der Wehrpflicht bereits festgelegt: „Die SPD ist die einzige, die den Mut hat, offen zu diskutieren.“

Langfristig wird sich auch die SPD festlegen. In einem Jahr soll ein Parteitag die künftige Position bestimmen. Wie das Votum der Delegierten ausfallen wird, lässt sich kaum vorhersagen. Während vor allem jüngere SPD-Politiker zumindest für die Aussetzung der Wehrpflicht werben, haben die Befürworter der bisherigen Wehrform mächtige Mitstreiter an ihrer Seite, nämlich Bundeskanzler Gerhard Schröder und den Parteivorsitzenden Franz Müntefering.

Für die Abschaffung der Wehrpflicht wäre in Bundestag und Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit nötig. Da die Union für die Beibehaltung der Wehrpflicht kämpft, ist das derzeit nicht durchsetzbar. Eine zeitlich befristete Aussetzung wäre allerdings auch mit einfacher parlamentarischer Mehrheit möglich. Und führende grüne Politikerinnen und Politiker wie die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Reinhard Bütikofer sowie die Fraktionschefin Krista Sager haben am Wochenende ihre Forderung nach Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee bekräftigt. BETTINA GAUS