Leises Trommeln für den Euro
: Wien: Verständnis für die Deutschen

VON RALF LEONHARD

Österreich gegen Brüssel. Dieser ungleiche Kampf beherrschte gestern die Schlagzeilen der Tagespresse. Doch es ging nicht um den heldenhaften Kampf von Finanzminister Karl-Heinz Grasser gegen den Bruch des Stabilitätspakts. Der Aufreger war vielmehr die Wiener Niederlage bei den Verhandlungen über ein neues Transitabkommen.

Die Aufweichung des Stabilitätspakts wurde daher auf die Wirtschaftsseiten und in die kleineren Kommentarspalten verbannt. Dort bestand weitgehende Einigkeit im Anprangern der Doppelmoral, die zulässt, dass die kleinen EU-Staaten bestraft werden, die Großen aber die Regeln verletzen dürfen.

Diese Position hatte auch Grasser vertreten. Dass er sich zum Wortführer der Paktverteidiger machte, dürfte freilich auch dem Bemühen geschuldet sein, auf diese Weise von eigenen Skandalen abzulenken. Seine von der Industriellenvereinigung gesponserte Homepage und unversteuerte Vortragshonorare beschäftigen die Staatsanwaltschaft.

Der parteilose „Mr. Nulldefizit“, der durch Budgetkosmetik vor zwei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erreicht hatte, muss sich von Wirtschaftsexperten Scheinheiligkeit vorwerfen lassen. So etwa Michael Moravec im Standard: „Das hierzulande gefeierte Nulldefizit sowie die deutlich geringere Neuverschuldungsrate im Vergleich zu Deutschland sind einzig auf die höhere Steuer- und Abgabenbelastung zurückzuführen. Hätte Österreich eine Steuer- und Abgabenquote wie Deutschland, läge das Defizit deutlich über vier Prozent, und Finanzminister Grasser hätte vermutlich doch mehr Verständnis für die Budgetprobleme seines deutschen Amtskollegen Hans Eichel.“

Christine Domforth in der konservativen Presse sieht zumindest keinen Schaden für die heimische Wirtschaft: „Österreich könnte in dieser an sich fatalen Situation dennoch mit einem blauen Auge davonkommen. Die Zinsen dürften zumindest in unmittelbarer Zukunft kaum steigen, die deutsche Konjunktur wird kurzfristig nicht abgewürgt, was unserem Export und Tourismus zugute kommt. Und die bevorstehende EU-Osterweiterung sollte uns auch weiterhin einen wirtschaftlichen Vorsprung vor Deutschland sichern.“

Helmut Kramer, der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) sprach aus, was wohl viele denken. Er erkärte im Radio, es sei gar nicht schlecht, dass der Stabilitätspakt aufgeweicht wurde. In Maastricht hätte man das Korsett viel zu eng geschneidert. Auch der Industrielle Hannes Androsch, der in den 70er-Jahren Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) als Finanzminister gedient hatte, bezeichnete den Stabilitätspakt als „Fehlkonstruktion“. Er habe eine Rekordarbeitslosigkeit, ein schwächeres Wachstum und eine schlechtere Wettbewerbssituation für Europa verursacht.