Jukebox

Ein Dunkel im Konzertsaal, kein Lichtlein brennt

Es ist ein Verlust anzuzeigen. Es passierte schleichend, man kümmerte sich nicht darum. Aber: Die Gemeinschaft, wie man sie bei Konzerten kannte, sie wird nicht mehr gepflegt. Was einen wehmütig werden lässt, im Zeichen des Adventskranzes, selbst wenn einem in früherer Zeit gerade in diesen Momenten das Grausen packte. Doch wo sind sie geblieben, diese Bekenntnisse zur Gemeinschaft, wenn der ganze Saal selig spätestens bei der Ballade unter einem Flammenmeer schunkelte? Heute wird den Konzerten kein Lichtlein mehr aufgesteckt, die Feuerzeuge bleiben in der Tasche.

Nun ist Gemeinschaft nicht einfach, sie muss sich erst konstituieren. Durch offizielle Regeln (die Straßenverkehrsordnung) und noch verbindender durch wildwüchsiges Brauchtum. Stiftet Zusammengehörigkeit. Ist Solidarisierungsgeste. Das Feuerzeug. Die Ballade. Das Publikum. Alles eins. Einst.

Dabei sei schon zugegeben, dass ich mich selten bei Konzerten mit der eingebauten Ballade rumdrücke. Aber ich habe mich umgehört. Bei Kollegen, die berufsmäßig auf viele Konzerte müssen. Gesammelte Indizien: keine Feuerzeuge beim Auftritt von Bob Dylan (wie nebenan zu sehen, mal mit Lichtlein-Garantie). Nicht in München. Nicht in Hamburg. Nicht in Berlin. Und dass von einem berichtet wurde, der bei Bowie trotzig zu „Heroes“ zündelte, muss nur als weiterer Punktsieg der Individualisierung gewertet werden.

Tatsächlich findet die Vergesellschaftung im Zeichen des Feuerzeugs nur noch als Travestie statt. Wenn etwa bei Fanta 4 gefordert wurde: „Jetzt könnt ihr die Feuerzeuge rausholen.“ Nurmehr ein ironisches Ausrufezeichen, ohne romantisches Gefühl. Die Bastardisierung eines guten Brauchs. Der Schwanengesang, bevor das letzte Licht verglimmt.

Bei Dylan, sagt das Internet, sollten die Lichter einst übrigens den Meister wieder zurück auf die Bühne locken. Zur Zugabe. Fragt sich nur, für was man eigentlich sonst noch so alles unter seinen Feuerzeugen eingestanden ist? THOMAS MAUCH