„Es gibt wichtigere Sachen“

Wieder was gelernt: Auch wenn es ihm nicht passt, gehört Markus Kavka zu den prominentesten Moderatoren bei MTV. Ein Gespräch über kreative Videos, leere Berliner Wohnungen und die Musik, die er am Wochenende im Watergate auflegen wird

Interview ULF LIPPITZ

taz: Ihre Abmoderation bei den „MTV News“ lautet: Haben wir wieder was gelernt. Was können Zuschauer bei Ihnen lernen?

Markus Kavka: Alles nicht so ernst zu nehmen. Wir wollen den Eindruck vermitteln, dass man dem ganzen Geschäft mit Ironie begegnen kann und nicht jeden Pups von Britney Spears oder Justin Timberlake für bare Münze nehmen muss.

Aber er wird berichtet.

Ja, aber teilweise so überzogen, dass die Zuschauer denken: Stimmt eigentlich, ich muss mir nicht das hundertste Poster ins Wohnzimmer hängen, hysterisch werden und Stofftiere auf die Bühne schmeißen – es gibt wichtigere Sachen.

Was hat Markus Kavka bei MTV gelernt?

Dasselbe. Außerdem kann ich inzwischen besser zwischen Privat- und Berufsleben unterscheiden.

Gibt es da Konflikte?

Ich bemerke, dass ich zunehmend mein Privatleben verliere. Prominent zu werden, habe ich nie angepeilt. Ich habe versucht, Inhalte zu füllen. Heute kann ich nicht mehr unerkannt durch Fußgängerzonen gehen. Darauf hatte ich noch nie Bock.

Sehen Sie sich selbst manchmal in Fernsehen?

Nein. Es gibt aber Situationen, wenn ich zu meinen Eltern komme, dass sie, warum auch immer, sofort MTV anschalten. Da sehe ich mich dann zwangsläufig. Das ist mir unangenehm.

Übte Musikfernsehen je eine Faszination auf Sie aus?

Auf jeden Fall – vor allem, weil ich es nicht sehen konnte. Wir hatten zu Hause kein Kabel. Das erste Mal konnte ich MTV verfolgen, als ich schon in München wohnte, also 1994.

Das war Ihr erstes Mal MTV?

Ich hatte mir bereits von Freunden aus London das eine oder andere Tape aufnehmen lassen. Aber lange Zeit existierte Musikfernsehen für mich nur über „Formel Eins“.

Die MTV News präsentierte früher Steve Blame. Haben Sie ihn mal getroffen?

Ja. Er ist einer der Großen im Geschäft. Als wir 20 Jahre MTV feierten, moderierten wir zusammen die News.

Konnte er Ihnen Erfahrung weitergeben?

Er hatte auf alle Fälle große Geschichten auf Lager. Von seiner ersten Love Parade in Berlin, als er vollkommen verpeilt im Hotel-Bademantel durch die Stadt fuhr, um Ko-Moderatorin Simone Angel wiederzufinden, die verschollen war – und dann auch im Bademantel hinter irgendeiner Hecke gefunden wurde. Und wir konnten uns über Madonna austauschen: Wie war sie bei dir, wie war sie bei mir.

Wie war sie bei Ihnen?

Eine skurrile Geschichte. Sie hatte einen ganzen Stab Stylisten dabei, die angeblich vor dem Interview zu ihr gingen und sagten: Der Typ, den du jetzt gleich triffst, sieht aus wie Brad Pitt. Und sie meinte am Ende zu mir: It’s true what they said. Ich kann das bis heute nicht verstehen.

Das Interview mit Kylie schien eine Herzensangelegenheit von Ihnen zu sein. Warum?

In den Achtzigern war sie meine Hass-Figur, als ich Gothic-, New-Wave-Fan war. Die ging natürlich gar nicht. Aber ich wollte herausfinden, warum einer meiner Helden, Nick Cave, einen Song mit ihr gemacht hat – was mich damals entsetzte. Ich musste feststellen, dass sie eine bezaubernde Person ist.

Wie hat sich Musikfernsehen im Laufe Ihrer Arbeit verändert?

Die klassische Form Video-Anmoderation-Video verschwindet. Es gibt wahrnehmbare Bestrebungen bei MTV und Viva, das Ganze in ein Jugend-Vollprogramm zu überführen. Trotzdem werden die Sender erkennbar Musikfernsehen bleiben.

Glauben Sie, der Videoclip verliert dadurch an Bedeutung?

Als Promotion-Werkzeug nicht.

Und künstlerisch?

Dem stimme ich teilweise zu. Die wirklich kreativen Sachen passieren nur noch, wenn jemand eine Million Dollar Budget hat oder überhaupt kein Geld und deswegen besonders kreativ sein muss.

Welches Video fanden Sie kreativ?

Michel Gondrys Clip für The White Stripes, „Fell In Love With A Girl“, fand ich revolutionär. Oder Coldplays „The Scientist“. Das sind echte Hingucker.

Hat Ihnen der Auftritt der White Stripes bei den MTV Europe Music Awards zugesagt?

Ja, das war der beste Auftritt der gesamten Show, die zwar grundsolide, aber ohne große Überraschungen war. Beeindruckend fand ich noch Kraftwerk: Da hätte ich mir gewünscht, dass die Show drei Stunden so weitergeht. Aber als ich mich umsah, bemerkte ich, wie verstört die hauptsächlich 18-jährigen Zuschauer reagierten.

Sind Sie froh, wenn im Frühjahr mit dem MTV-Umzug das Pendeln zwischen München und Berlin vorbei ist?

Schon. Ich habe seit eineinhalb Jahren eine Wohnung in Friedrichshain, die ist aber de facto nicht mehr als eine teuer bezahlte Abstellkammer. Von Montag bis Freitag ist Dienst in München, und am Wochenende steht meist auch etwas an. Ich bin froh, wenn ich mal zu Fuß zur Arbeit gehen kann. Das Nomadendasein geht sehr an die Substanz.

Morgen kommen Sie im Watergate an. Werden Sie da Rock auflegen?

Nein. Ich weiß, wenn man meine Laufbahn verfolgt hat, muss dieser Eindruck entstehen – aber Bands wie Judas Priest habe ich nie gehört. Die ersten Sachen, die mir etwas bedeutet haben, waren Stücke von Visage oder Softcell. Seit drei Jahren lege ich konsequent elektronische Musik auf.

Samstag, 23 Uhr, Watergate, Falckensteinstr. 49, Kreuzberg