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Archiv-Artikel

cdu/csu-einigung Hartz IV für Kranke

Wie gerecht der Unions-Entwurf zum Gesundheitssystem ist, wird ab jetzt von der Zahl 7 abhängen. Wer mehr als 7 Prozent seines Einkommens für die Gesundheitsprämie zahlen muss, soll bezuschusst werden. Doch aufgepasst: Unter „Einkommen“ verstehen Angela Merkel von der CDU und Edmund Stoiber von der CSU nicht nur Lohn oder Rente. Vielmehr erklärten sie gestern à la Hartz IV: Bedürftig ist nur, wer wirklich nichts hat – auch keine Miet-, Zins- oder Kapitalerträge. Wer meint, dass er trotzdem überfordert ist, wird seine Vermögensverhältnisse offen legen müssen.

KOMMENTAR VONULRIKE WINKELMANN

Wie viele Haushalte einen Zuschuss brauchen werden, wusste die Union gestern noch nicht. Freibeträge? Unbekannt, weil ungenannt. Arbeitslose? Waren kein Thema. Die besondere Schwammigkeit des Konzepts genau in solchen Fragen darf eindeutig verstanden werden: Der Milliardenkuchen für den Sozialausgleich sieht bei Merkel und Stoiber nur so groß aus wie bisher. Er soll aber mit der Union in Zukunft kleiner gebacken werden. Die Rezepte liegen schon bereit. Ein Freibetrag kann auch verringert oder die Zuschussgrenze von 7 auf 8 Prozent angehoben werden.

Es sind solche Perspektiven, auf die es Merkel ankommt. Sie will die Umverteilung im Gesundheitssystem bremsen und den Ausblick auf eine Privatisierung eröffnen. Deshalb hilft es der Regierungskoalition wenig, höhnisch auf die Unverkäuflichkeit des Reformkompromisses zu verweisen und sich erst einmal zurückzulehnen. Natürlich wird der Kuddelmuddel-Entwurf, den Stoiber und Merkel vorlegten, niemals im Bundesgesetzblatt stehen. Aber die Union hat jetzt ein Kochbuch in der Hand, mit dem sie 2007 anfangen kann zu testen – wenn sie denn 2006 gewählt wird.

Die Mehrheit der Arbeitnehmer wird bis dahin feststellen, dass eine Prämie von 109 Euro weniger ist als ihr bisheriger Anteil an der Krankenversicherung. Die schlaueren Rentner werden ihre Kapitaleinkünfte zu verbergen wissen. Die Privatversicherten, insbesondere die Beamten, dürften entzückt sein: Sie müssen nicht mehr für ihre Kinder bezahlen.

Und von den Schlechterverdienenden droht nur begrenzter Verdruss: Sie sind bekanntermaßen nicht die, die gut und vorausschauend rechnen können. Wenn die Solidarität im Versichertenvolk auf diese Weise zerbröselt, schadet der Union auch ihre Schwammigkeit nicht.

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