DIE POLITIK STEHT SEIT AN SEIT MIT DEN STUDENTEN – BIS SIE GELD WOLLEN
: Hilflos, bis es kracht

Da stand die PDS plötzlich ziemlich doof da. Vor wenigen Tagen hatte sich die Sozialisten-Nomenklatura der unter 35-jährigen Mandatsträger getroffen. Anschließend ging an die Adresse der protestierenden Studenten ganz Deutschlands die schleimige Mitteilung heraus, die PDS stünde selbstverständlich „an der Seite der Studierenden“. Solidarisch im Kampf gegen Sparen an der Zukunft und gegen böse Studiengebühren. Wenige Tage später stand die PDS tatsächlich Gesicht an Gesicht mit den Studis – in der besetzten PDS-Zentrale in Berlin. Die Kommilitonen kaperten das Liebknecht-Haus, weil PDS-Senator Thomas Flierl in Berlin gerade eines der härtesten Uni-Sparprogramme der Republik durchzockt. So kann’s gehen.

Das Missverstehen zwischen Studenten und Politik ist keine Spezialität der PDS. In München lehnen sich gegen Stoibers Hochschul-Diätplan mehr als 20.000 Studenten auf. In Hessen droht der CDU-Heroe Roland Koch den Jungakademikern, weil sie seine Propaganda vom „Bildungsland Hessen“ wirklich geglaubt hatten – und nun frustriert die Straße bevölkern. Wo man auch hinschaut: Erst kraulen die Politiker der „Zukunft des Landes“ die Köpfchen. Sobald aber ein Finanzminister klamm ist, werden die vermeintlichen Zukunftsetats zusammengestrichen. Wer das – wie die doch irgendwie aufbrausewilligen Studenten – nicht versteht, macht notfalls Bekanntschaft mit der Polizei.

Genauer betrachtet ist das Missverständnis gar keines, sondern so etwas wie „erlernte Hilflosigkeit“. Das Phänomen beschreibt den Zustand, der entsteht, wenn jemand beständig das Richtige und Erwartete will, es aber nicht bekommt. Den Studierenden geht das seit 1997 so. Da streikten sie so massenhaft wie noch nie für bessere Bedingungen an den Hochschulen. Sogar Kohl gab ihnen Recht. Gleichzeitig baute man beharrlich Professorenstellen ab, verschlechterte das Bafög und ließ die Unis weiter verrotten. Die Psychologie rät erlernt Hilflosen, umzudenken und fröhlich zu sein („Optimisten küsst man“). In der Politik funktioniert das wohl nicht – da muss es schon richtig krachen.

CHRISTIAN FÜLLER