Präsident Bush isst Truthahn in Bagdad

Der US-Präsident besucht heimlich zweieinhalb Stunden lang US-Soldaten im Irak. Die Truppen bleiben zahlreicher dort als als ursprünglich geplant. Der schiitische Ajatollah Sistani fordert die Wahl des Übergangsparlaments durch das Volk

WASHINGTON/NADSCHAF ap/afp/taz ■ Es dürfte eine der kürzesten Präsidentenbesuche der US-Geschichte gewesen sein: Kaum hatten die Agenturen gestern per Eilmeldung die Nachricht verbreitet, dass US-Präsident George W. Bush zu einem Überraschungsbesuch bei den Truppen zum Thanksgiving-Fest im Irak angekommen ist, da war er auch schon wieder abgereist. Knapp zweieinhalb Stunden hat sich Bush in Bagdad bei den Soldaten aufgehalten. Von der Stadt sah er nichts – als die „Air Force One“ ohne Beleuchtung um 17.31 Uhr landete, war es dunkel. Auch die Iraker, und darauf kam es an, sahen nichts von Bush.

Bushs Truppenbesuch in Irak dürfte nicht der letzte gewesen sein: Die USA reduzieren ihre Truppen in Irak offenbar weit weniger als zunächst geplant. Das Verteidigungsministerium in Washington teilte am Mittwoch mit, es werde mehrere tausend zusätzliche Marineinfanteristen nach Irak schicken. Von Januar bis Mai sollen die US-Soldaten in Irak schrittweise durch neues Personal ersetzt werden. Derzeit befinden sich dort etwa 130.000 US-Soldaten.

Obwohl am Mittwoch keine exakten Zahlen über die angestrebte Gesamttruppenstärke genannt wurden, schätzen die Beobachter die Zahl der US-Soldaten nach Abschluss des Austauschs auf etwa 110.000. Zunächst sollten sich im Mai nur noch 105.000 Soldaten in Irak befinden. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bewilligte außerdem die Mobilisierung von rund 14.500 Reservisten der Armee, Marine und Luftwaffe für den Austausch der Truppen, wie es am Mittwoch hieß. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung wollen die USA im Zuge der Neuordnung ihrer Militärpräsenz im Ausland offenbar rund 20 Prozent ihrer Soldaten aus Deutschland abziehen.

Auch auf politischer Ebene läuft für die USA nicht alles wie geplant. Der höchste geistliche Würdenträger der irakischen Schiiten, Ajatollah Ali Sistani, forderte gestern eine direkte Wahl des Übergangsparlaments und der Übergangsregierung. Auch die Stadträte sollten durch freie Wahlen bestimmt werden, gab der Vorsitzende des Regierungsrats, Dschalal Talabani, nach einem Treffen die Forderungen Sistanis wieder. Für die Erstellung der Wählerlisten könnten die Rationierungskarten der Bewohner herangezogen werden. Damit stellte sich Sistani in Gegensatz zu der Einigung zwischen den USA und dem irakischen Regierungsrat von Mitte November, die für die beschleunigte Machtübergabe indirekte Wahlen vorsieht.