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Islamische Gemeinden im Ruhrgebiet zeigen sich der Forderung nach deutschsprachigen Predigten aufgeschlossen. Nur beherrschen weder die Vorbeter noch die Mehrzahl der Moscheegänger genügend die deutsche Sprache

RUHR taz ■ Die Forderung der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU) nach deutschsprachigen Predigten in Moscheen stößt bei den islamischen Organisationen im Ruhrgebiet auf wenig Widerstand. Im Gegenteil: Während Politiker von SPD und Grünen auf Bundes- und Landesebene Schavans Vorschlag zur Verhinderung von Terror als „abwegigen Quatsch“ oder „absoluten Unsinn“ bezeichnen, würden die islamischen Gemeinden in der Region gerne auf Deutsch predigen. Ihr Problem: Die Moscheegänger, die oft der ersten Einwanderergeneration angehören, beherrschen die Sprache nicht gut genug. Auch die Vorbeter sind meist nicht in Deutschland aufgewachsen.

„Wenn es nach uns ginge, würden die Imame nicht alle paar Jahre ausgetauscht“, sagt Aris Salih, Vorsitzender der Fatih-Moschee in Essen-Katernberg. Doch seine Gemeinde hat darauf keinen Einfluss: Der größte deutsche muslimische Dachverband (DITIP), dem seine Moscheegemeinde angehört, ist ein Ableger des „Staatlichen Amtes für Religionsangelegenheiten“ in der Türkei. Diese Institution kann selbst bestimmen, wer wie lange in welcher Moschee in Deutschland predigt. „Wir wünschen uns, dass es in fünf oder zehn Jahren möglich ist, Predigten auf Deutsch zu halten.“ In Salihs Gemeinde kämen auch Afghanen und Libanesen zum Freitagsgebet, die davon profitieren könnten. Auch der Vorsitzende der offenen islamischen Gemeinde in Bochum, Uuyar Habib, findet, „es wäre schön, wenn wir einen deutschsprachigen Vorbeter vielleicht als Teilzeitkraft beschäftigen könnten.“

Doch in Deutschland werden bisher keine Imame ausgebildet. Darüber ärgert sich Sybille Haußmann, migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Seit Jahren fordere ihrePartei die Ausbildung von muslimischen Vorbetern an den Universitäten. „Wir müssen den Islam schleunigst einbürgern“, sagt sie. In Münster werden seit diesem Semester erstmalig deutschsprachige Islam-Lehrer ausgebildet, aber noch keine Vorbeter. Wichtiger als die staatliche Überwachung sei jedoch die soziale Kontrolle der Gemeindemitglieder untereinander, sagt Haußmann. „Wir hoffen darauf, dass sich friedliebende Muslime selbst von Hasspredigern distanzieren.“

Klaus Lefringhausen, Integrationsbeauftragter der Landesregierung NRW, hat juristische Einwände gegen die Verpflichtung von Imamen, in deutscher Sprache zu predigen: „Das verstößt gegen das Recht auf freie Religionsausübung. Es muss doch andere Wege geben, Hassprediger zu identifizieren“. Dafür hat Ismail Kaplan, Bildungreferent der Alevitischen Gemeinde in Deutschland, die liberalen muslimischen Glauben ausübt, bereits eine Idee: „Die Moscheen könnten alle Predigten verschriftlichen und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen“, schlägt er vor. Über die Forderung nach Predigten in deutscher Sprache ist Kaplan sehr amüsiert: „Stellen Sie sich diese künstliche Situation vor: Vorne ein Imam, der in radebrechendem Deutsch predigt. Dazu Gläubige, die ihn nicht verstehen.“ Außerdem sei das Beherrschen der deutschen Sprache keine Garantie für gemäßigte Predigten. „Die Organisation Milli Görus ist radikaler als die DITIP, obwohl sie viel mehr deutschsprachigen Nachwuchs hat“, weiß er.

NATALIE WIESMANN