Künstler haben das Betteln satt

Kölner Künstler diskutieren mit dem Kulturamt über fehlende Ateliers. Während die Kreativen vor einer Abwanderung ins Ruhrgebiet und nach Berlin warnen, verweist die Stadt auf leere Kassen

Von Holger Möhlmann

Kunststadt Köln – was läuft schief, wenn ein Markenzeichen zur Belastung wird? Wenn kulturelle Imagepflege mit Finanznot kollidiert? Wenn Künstler der Kunststadt den Rücken kehren, weil Ateliers verschwinden und Alternativen nicht mehr bezahlbar sind? Um städtisch geförderte Ateliers in Zeiten knapper Kassen ging es auf einer Veranstaltung, zu der das SPD-nahe Kulturforum Köln am Montag in den Stadtgarten geladen hatte. Etwa fünfzig Künstler diskutierten engagiert, aber sachlich mit Kulturamtsleiter Jürgen Nordt über die Zukunft der Kölner Ateliers – solange es sie denn noch gibt.

Ende der 60er Jahre hatte der damalige Kulturdezernent Kurt Hackenberg großen Anteil daran, dass Köln zu der Kunstmetropole wurde, als die man die Stadt in den folgenden Jahrzehnten kannte. Er akquirierte systematisch städtische Ateliers, weil – so seine Überzeugung – eine gezielte und nachhaltige Atelierförderung immer noch die wirksamste Form der Kunstförderung ist.

Diesen Leitsatz bekräftigte am Montag Friederike van Duiven vom Bund Bildender Künstler (BBK). „Künstler sollen quer denken“, sagte sie, und zur Entwicklung neuer Perspektiven gehörten geeignete Rahmenbedingungen. Doch immer mehr Ateliers verschwänden. Mit den Sidolwerken an der Eupener Straße, dem Eisenbahnausbesserungswerk (EAW) in Nippes und den Clouth-Werken nannte sie gleich drei gefährdete Atelierstandorte. Mangels bezahlbarer Alternativen dächten viele ihrer Kolleginnen und Kollegen an Abwanderung – ins Ruhrgebiet mit seinen vielen Atelier kompatiblen Industriebrachen oder ins deutlich billigere Berlin. Eigentlich müsse „ein Aufschrei durch die Stadt gehen – Köln verliert seine Künstler.“

Demgegenüber stellte Kulturamtsleiter Nordt angesichts leerer Haushaltstöpfe klar: „Es kann nicht sein, dass die Stadt alles regelt.“ Die Verwaltung könne sich lediglich an der Schaffung besserer Rahmenbedingungen für bildende Künstler beteiligen. Nachdrücklich verwies er auf die noch immer gültigen Zielvorgaben des Atelierförderungskonzepts von 2001: Erhöhung der Zahl der städtisch gesicherten Ateliers von 130 auf 250 und Verdoppelung der jährlichen Mittel für Atelierzuschüsse auf 50.000 Euro.

„Gegenüber privaten Investoren haben wir keine Einflussmöglichkeiten“, verteidigte Nordt zwar die Marktwirtschaft, doch war sein Bedauern glaubhaft, die Investoren im Falle Sidol und EAW nicht zur Erhaltung der Ateliers überredet haben zu können. Durch Verhandlungen mit der städtischen Tochtergesellschaft Hafen und Güterverkehr Köln (HGK) habe immerhin das Rhenania erhalten werden können. Die HGK habe verstanden, dass Kultur ein Image- und Wirtschaftsfaktor sei. Gleiches gelte für die Stadtsparkasse, die inzwischen mit dem Kunstwerk in Deutz einen Erbbaupachtvertrag abgeschlossen habe.

Versäumnisse räumte er in der Zusammenarbeit mit anderen städtischen Ämtern ein, wenngleich sich dort in den letzten Jahren einiges gebessert habe. Einen großen Fehler gab „Zuhörerin“ Bürgermeisterin Angela Spizig (Grüne) zu: Dass bei der Ausschreibung für die Neubebauung des Clouth-Geländes in Nippes die dort seit Jahren arbeitenden fast 100 Künstler vergessen wurden. Ihnen droht mittelfristig der Rausschmiss. Immerhin versprach sie, sich für eine Revidierung dieses Ratsbeschlusses einzusetzen.

Den anwesenden Künstlern, viele von ihnen haben ihr Atelier in den Clouth-Hallen, war das zu wenig. Die zusätzlichen Vorschläge waren zahlreich und erwartungsgemäß kreativ: Von einer möglichst breiten „Atelierlobby“ war die Rede, vom „Kultur-Cent“ aus „städtischen Investitionsgewinnen“ und von moralischer Unterstützung eines Kulturamtes, „das Angst vor sich selber hat“, so eine Stimme aus dem Plenum. Um ein geistiges Klima zu schaffen, das Künstler und städtische Kulturpolitik aus der Bittstellerhaltung erlöse, müsse man sich wieder öfter vor Augen halten, was Kreative für das Image einer Stadt täten – und gezielt Investoren anzulocken, die dies auch zu schätzen wüssten.