Mutige Philharmoniker
: Eindringlich jenseits der Pfade

Nun wagen die Bremer Philharmoniker einmal gut durchdachte Programme und müssen zur Kenntnis nehmen, dass ein solches Angebot kaum angenommen wird: Gut zur Hälfte war die Glocke im letzten Abonnementskonzert nur gefüllt. Da kann man nur hoffen, dass das Orchester seinen lobenswerten Versuch, eingetretene Pfade zu verlassen, nicht wieder aufgibt. Denn alle die, die nicht da waren, versäumten einen Konzertabend von außerordentlicher Intensität.

Schwer zu sagen, welcher Wiedergabe man den Vorzug geben sollte: der Serenade op. 31 für Tenor, Horn und Orchester von Benjamin Britten oder der Kammersymphonie op.110 von Dimitri Schostakowitsch. Denn beide sind von so hoher Eindringlichkeit, dass man ihnen in jedem Takt ihr existentielles Anliegen anmerkt: Britten hat sein Werk nach historischen Gedichten für seinen Freund, den unvergesslichen Tenor Peter Pears geschrieben.

Entsprechend enorm sind die Anforderungen an die Singstimme, die hier Christoph Prégardien virtuos, glutvoll und zart im wahrsten Sinne des Wortes meisterte. Und die poetischen Naturbilder und Stimmungen des Orchesters zauberte das Orchester unter der Leitung von Lev Markiz, dessen letztes Konzert mit Mozarts Gran Partita noch in bester Erinnerung ist. Das Orchester scheint gut mit ihm zu können, seine Zeichen sind ebenso genau wie emotional. Der Hornpart, geschrieben für den früh verstorbenen Hornisten Dennis Brain, gab hier dem ersten Hornisten des Orchesters, Daniel Adam, Gelegenheit, sein exzellentes Können unter Beweis zu stellen.

Schostakowitschs 1960 entstandene Kammersymphonie op. 110 ist ein Reflex auf das zerbombte Dresden und eines der eindrücklichsten und populärsten Stücke der musikalischen Trauer. Der Exilrusse Markiz mag da wohl emotional besonders stark engagiert gewesen sein, denn die fahlen Trauerlinien, der aggressive Marsch oder auch der groteske Totentanz verfehlten nicht ihre bis heute erschütternde Wirkung. Die Fanfaren „Signals from Heaven“ von Toru Takemitsu allerdings: Supereffektvolles für das Blech – kann man machen, muss aber nicht sein.

Ute Schalz-Laurenze