Des Scharfrichters Damoklesschwert

Heute richtet die Schill-Partei über das Schicksal der Hamburger Rechts-Koalition. Die Wiederauferstehung des Ronald Schill kann zu Neuwahlen führen. Klima im Dreierbündnis ist bereits jetzt von Misstrauen geprägt und die Schill-Partei zerstritten

von SVEN-MICHAEL VEIT

Einen Triumphzug des Ronald Schill erhoffen heute die einen, die anderen fürchten genau das. Nämliches gilt für den Bestand der Rechts-Koalition in Hamburg: Manche befürchten den baldigen Bruch, einige verdächtigen ihre Partner, diesen mutwillig herbeiführen zu wollen. Das Klima im Dreierbündnis aus CDU, Schill-Partei und FDP ist nach exakt 25 Monaten von Misstrauen geprägt, und über allem schwebt das Damoklesschwert des gnadenlosen Scharfrichters.

Auf dem Parteitag der nach ihm benannten Rechtsaußen-Gruppierung im Café Seeterrassen wird Schill heute, daran zweifelt niemand, als Landesvorsitzender bestätigt werden. Fraglich ist lediglich: Welches Ergebnis erringt er, setzen sich bei der Wahl der beiden Stellvertreter seine Gefolgsleute gegen seine Kritiker durch und mit wem wird der Richter in seiner Grundsatzrede gnadenlos abrechnen.

Parteiintern tobt ein mit harten Bandagen geführter Richtungskampf. Die Senatoren Mario Mettbach und Dirk Nockemann sehen in der Wandlung der Populistentruppe zu einer „seriösen konservativen Partei“ ebenso die Zukunft wie auch Fraktionschef Norbert Frühauf. Die Partei sei „für sieben, acht Prozent gut“ wegen ihrer Programmatik, glaubt Nockemann, der vom Büroleiter des Innensenators Schill zu dessen Nachfolger und Intimfeind wurde. Nockemann habe ihn im August mit einer Intrige gestürzt, davon ist Schill noch immer überzeugt.

Ob Nockemann oder Frühauf als Parteivize kandidieren, wollte der Landesvorstand gestern Abend beschließen. Der große Vorsitzende Schill, erst vorgestern aus dreiwöchigem Kuba-Urlaub zurückgekehrt, nahm nicht teil. „Die Zeitumstellung“ mache ihm zu schaffen, ließ er ausrichten. Und stellte damit klar, wie gering er seine Gegner schätzt.

Der Parteigründer selbst und seine treuesten Anhänger um Landesgeschäftsführer Wolfgang Barth-Völkel wollen zurück zu den Ursprüngen an den Stammtischen. „Ohne Schill schaffen wir keine fünf Prozent“, fürchtet der Bürgerschaftsabgeordnete Barth-Völkel, der ebenfalls für einen der beiden Vize-Posten antritt, um Mandat und Diäten. Das Schicksal der Partei liege in den Händen ihrer Leitfigur.

Und das Schicksal der Rechts-Koalition ebenfalls. Ein gestärkter Schill, fürchten Union und Liberale zu Recht, wird Machtansprüche stellen. Auch an CDU-Bürgermeister Ole von Beust, der ihn vor drei Monaten unehrenhaft entließ. Der hatte verkündet, sich nie wieder mit Schill „an einen Tisch zu setzen“. Muss er vielleicht auch gar nicht, denn Schill hält sich, so raunen Eingeweihte, die Option einer Parteineugründung offen. Eine Spaltung der Bürgerschaftsfraktion aber wäre das sofortige Ende der Koalition.

Dieses mutwillig riskiert und mit Neuwahlen geliebäugelt zu haben, wird die Union weiterhin von der FDP verdächtigt. Die vier Abweichler bei der Wahl ihres Bildungssenators Reinhard Soltau am Mittwoch kämen von der CDU, wähnen die Freidemokraten noch immer. Denn die Union steht mit bis zu 40 Prozent in Meinungsumfragen gut da. „Absurd“, nennt das CDU-Fraktionschef Michael Freytag.

Über „Indizien“ meint hingegen sein FDP-Kollege Burkhardt Müller-Sönksen zu verfügen: „Nicht einmal einen Blumenstrauß“ habe die Union Soltau überreicht. Seine Illusionen ist Müller-Sönksen los: „Das Grundvertrauen“, sagt er, „ist dahin.“