Die bessere Welt

Busta Rhymes, der beste Live-Künstler der USA, im Pier 2

Seine enorme Sprechgeschwindigkeit, die über die Jahre immer mehr zunahm, gibt ihm die Möglichkeit, mehr zu sagen als seine Kollegen

Im Frühjahr 1996 rief Busta Rhymes sein „Woo Hah!!“ in die Welt und versetzte HipHop die Eigenblutinjektion, die er so dringend gebraucht hatte. Endlich war wieder einer aufgetaucht, der mit allen Rollen vertraut schien: Trevor Smith aus Long Island war ebenso Entertainer wie educated Teacher, selbstironischer Madman und versierter Liebhaber mit auffällig ausgebildeter Oberarmmuskulatur. War er vormals bei den Leaders of the New School schon der auffälligste im Quartett, legte er auf seinem ersten Solo-Album The Coming richtig los.

Seine krächzende Stimme, sein synkopierter Reimflow charakterisieren ihn wie keinen zweiten. Busta Rhymes erkennt man immer sofort. Seine enorme Sprechgeschwindigkeit, die über die Jahre immer mehr zunahm, gibt ihm die Möglichkeit, mehr zu sagen als seine Kollegen.

Das nutzte er weidlich aus und erklärte das Jahr 2000 zum Wendepunkt der menschlichen Gesellschaft. Krieg, Umweltverschmutzung, explodierende Atomkraftwerke, Asteroideneinschlag: Jedes Horrorszenario war ihm recht, den Untergang zu predigen. Nun haben wir Y2K locker überlebt – erinnert sich eigentlich noch jemand an die Hysterie? – und Herr Rhymes musste sich etwas Neues ausdenken.

Zunächst zeigte er mit seinem Album Anarchy, dass er von Bakunin keine Ahnung hat, und auf seinem nächsten Werk Genesis feierte die Auferstehung fröhliche Urständ. Meist seine eigene.

Schade nur, dass dabei die musikalische Qualität gelitten hat. Zu glatt, zu routiniert produziert wirkt das Ganze. Die Ecken und Kanten, die Busta Rhymes immer ausgemacht haben, wurden einfach wegretouchiert.

Das gilt immer noch, wenn auch nicht mehr in dem Maße, auch für das jüngste Produkt mit dem sinnreichen Titel It Ain‘t Safe No More. Deutlich zurückgelehnter ist es angelegt, und über das Duett mit Mariah Carey werden sich die Geister noch lange streiten.

Den Tiefpunkt scheint Mr. Smith überwunden zu haben, aber ein bisschen inspirierter darf er in Zukunft gerne zu Werke gehen.

Auf der Bühne stellt sich das offensichtlich immer noch anders dar. Nicht umsonst hat das US-amerikanische Fachblatt The Source – immer noch der Meinungsführer in diesem Musikgenre – Busta Rhymes gerade eben zum besten Live-Künstler des Jahres 2003 erkoren. Wer die üblichen HipHop-Rituale, Marihuanaverherrlichungen und Sexismen – „Yo bitch, say ho and throw your hands in the air“ – zu ignorieren gelernt hat, darf sich auf ein Kraft- und Energiebündel freuen, dass über die Bühne fegt, um dann zum choreografisch richtigen Zeitpunkt stehenzubleiben, die wie gesagt wohl definierten Arme auszubreiten als wolle er sagen: „Kommt alle mit in die schönere, bessere Welt des Busta Rhymes.“ Eberhard Spohd

heute, 20 Uhr, Pier 2; im Vorprogramm ist Ferris MC angekündigt