„Nicht radikal genug“

Historiker veröffentlicht Texte Ludwig Quiddes

taz: Herr Holl, der Bremer Pazifist Ludwig Quidde ist einer von vier deutschen Friedensnobelpreisträgern, dennoch relativ unbekannt…

Karl Holl, Historiker: Momentan gibt es eine Wiederbelebung der Erinnerung an Quidde. Seine Positionen als Friedenspolitiker und Pazifist sind nach wie vor aktuell. Nach 1945 aber hat sich die Friedensbewegung in Deutschland und später auch die Grünen Quiddes nie richtig angenommen.

Woran liegt das?

Der aufgelebten Friedensbewegung war er nicht radikal genug. Quidde war kein Mann der Massenmobilisierung, außerdem war er gegen die Kriegsdienstverweigerung. Radikale Pazifisten nehmen ihn deshalb nicht als einen der ihren wahr.

Wie ist es in Quiddes Geburtsort Bremen?

Da herrscht eine ganz spezielle Form des Ignorierens. Aus verschiedenen Gründen: Er stammte zwar aus einer reichen Bremer Familie, war aber für den patrizischen Heiratsmarkt unerreichbar, da er früh eine Frau aus Königsberg heiratete und Bremen verließ. Zudem war er linksliberaler Demokrat und kein Sozialdemokrat – das spielt in Bremen sicher auch eine Rolle.

Und die teils verharmlosenden Äußerungen über Hitlers Außenpolitik?

Die haben mit seiner persönlichen Situation zu tun. Quidde ging ’33 direkt ins Schweizer Exil. Seine Frau, die er damals bereits seit Jahren betrog, wollte ihn nicht begleiten. Er hatte starke Gewissensbisse und wollte sie in Sicherheit wissen. Deshalb machte er einige Aussagen zugunsten Hitlers.

Sind die neu veröffentlichten Exil-Texte Quiddes eindeutiger?

Ja, sie belegen auf einen Schlag, dass er nie mit Hitler geliebäugelt hat. INTERVIEW: TERESA HAVLICEK

19 Uhr, Focke-Museum, Buchvorstellung