Seehofer, die Unperson der Union

Der CSU-Vize trägt den Merkel-Stoiber-Kompromiss zur Gesundheit nicht mit, sondern droht mit Rücktritt. Zwar hat er die Kopfpauschale erfolgreich ruiniert. Aber dafür wird ihn die CDU bestrafen. Gesundheitsminister wird er bestimmt nicht mehr

VON ULRIKE WINKELMANN

Horst Seehofer blieb gestern zu Hause in Ingolstadt. Er müsse über seinen Rücktritt nachdenken, sagte er. So sehr war der 55-jährige Vizechef von CSU und Bundestags-Unionsfraktion vom Gesundheits-Kompromiss gekränkt, den CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber gefunden hatten.

Natürlich hieß es aus der CSU, man hoffe, „dass er im Boot bleibt“. Das sagte der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber. Gleichzeitig jedoch appellierte er an den Grantler, das Merkel-Stoiber-Modell zu unterstützen. Diese Erwartung vermeldete auch die CDU-Spitze.

Vergeblich. „Der Kompromiss ist so schlecht, dass niemand von mir verlangen kann, dass ich ihn mittrage“, schnaubt Seehofer im Donaukurier von heute. Hierin ist er im Übrigen nicht allein. Außer einigen gequälten Stimmen in der Union selbst fand sich gestern im ganzen Land niemand, der dem Merkel-Stoiber-Modell eine Zukunft gab. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nannte es gar „wachstums- und beschäftigungsschädlich“. Merkel quittierte dies scharf: Hundt reagiere „nicht angemessen auf den Ernst der Lage“ in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Frage ist auch eher, ob Seehofer eine Zukunft in der Union hat. Denn einerseits hat er in den Verhandlungen mit der CDU seine Mission erfüllt, bevor er ausgeschlossen wurde: Er hat dem Ursprungsmodell derart geschadet, dass es nun unverkäuflich ist. Andererseits wird ihn Merkel jetzt zur Unions-Unperson machen. Gesundheitsminister wird er mit Sicherheit nicht mehr.

Isoliert war Seehofer freilich vorher schon. Mit seiner Treue zu den sozialen Sicherungssystemen gilt der Gesundheitsexperte als Sonderling. Seitdem die CDU sich auf Kopfpauschalen-Kurs befindet, hat er sich mit all seiner Kompetenz und seiner medialen Überzeugungskraft dagegen gestemmt. Jeden Schritt weg vom solidarischen Umlageverfahren hin zu einem leicht privatisierbaren Prämienmodell begleitete er mit Kritik, mit Intrige, mit Schmollen – selbst wenn er Stoiber damit schadete. Im Juni 2003 sagte Seehofer über den frisch zwischen Merkel und Stoiber ausgehandelten Kompromiss zum Zahnersatz, dieser sei unhaltbar und trüge alle Züge einer unverantwortlichen „Last-Minute-Entscheidung“. Er behielt Recht; die Zahnersatz-Pauschale wurde wieder einkassiert.

Doch man kann Recht behalten und trotzdem abserviert werden. Auch der Kopfpauschalen-Kompromiss wird zwar keinen Bestand haben. Aber die CDU/CSU ist keine Partei mehr für Sozialpolitiker vom Schlage Seehofer. Nur die CSU-Arbeitnehmer-Union (CSA) stellte sich gestern voll hinter ihn. Sie hatte Seehofer erst vor zehn Tagen in Günzburg mit 98,6 Prozent wieder zum Chef gewählt. Dort hatte er den 350 Delegierten erklärt: „Ich verspreche euch, dass der Kompromiss so aussieht, dass wir ihn vertreten können, ohne rot zu werden.“

Dieses Versprechen konnte er nicht einhalten. Und zum Schämen bleibt man halt lieber zu Haus. Aber doch nicht für immer. Am Wochenende ist schließlich CSU-Parteitag.