DER IRAK IST ZU UNSICHER FÜR EINEN TRIUMPHZUG GEORGE W. BUSHS
: Herr Heimlich in Bagdad

Er hat sich in die Höhle des Löwen begeben, heißt es anlässlich von George W. Bushs Kurzvisite in Bagdad stolz aus dem republikanischen Amerika. Und das an Thanksgiving, dem Tag, an dem US-Familien friedlich zu Hause um ihren Truthahn sitzen. Doch während das Weiße Haus die couragierte Tat noch feiert, lässt sich der Höhlenflug durchaus auch anders interpretieren: Es war einmal eine Fledermaus, die flog im Schutz der Dunkelheit über Feindesland und hängte sich zwei Stunden bei ihren dort eingeschlossenen Freunden an der Höhlendecke auf, verspeiste ein paar Insekten und machte sich dann wieder auf den Weg nach Hause – ohne den Löwen aufgeweckt zu haben.

Die Moral der Truppen wollte der US-Präsident mit seiner Reise erhöhen, die Irak-Agenda so richtig ganz persönlich an sich reißen bzw. – wie es so schön in der deutschen Politik heißt – „zur Chefsache machen“. Doch der Ablauf der Reise steht symptomatisch für das genaue Gegenteil: Nach sieben Monaten US-Besatzung ist der Irak ganz offensichtlich noch immer nicht sicher genug, um einen triumphalen Einzug des obersten Feldherrn zelebrieren zu können. Dagegen stiehlt der sich in der Nacht in die Stadt wie ein Dieb – wohl wissend, dass der letzte höchstrangige Besucher aus Washington, Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz, seine Hotelübernachtung in Bagdad fast mit dem Leben bezahlt hätte. Da darf nicht verwundern, wenn arabische Zeitungen titeln: „Bush schleicht sich für zwei Stunden nach Bagdad“.

184 US-Soldaten sind umgekommen, seit Bush am 1. Mai in sicherer Entfernung auf dem Flugzeugträger USS-Lincoln das Ende der Hauptkriegshandlungen verkündet hat. Da kann nicht verwundern, dass ganz böse Zungen die präsidiale Stippvisite in Bagdad nun gar mit US-Präsident Nixons Reise nach Vietnam 1969 vergleichen. Der hatte damals genauso von „Vietnamisierung“ geprochen wie Bush heute von „Irakisierung“. Nixons Idee war bestechend einfach: Alliierte südvietnamesische Truppen sollten den Kampf gegen den Vietcong übernehmen. Das Ergebnis steht in jedem Geschichtsbuch. KARIM EL-GAWHARY