Konservative Verbände in NRW mucken auf

Organisationen im katholisch-konservativen Spektrum gehen auf Distanz zum Gesundheits-Kompromiss der Union. Vor allem christliche Arbeitnehmer sprechen sich gegen Kopfprämie aus: „Eine Pauschale schafft keine Gerechtigkeit“

KÖLN taz ■ Die gesellschaftliche Basis der Unionsparteien zweifelt an der politischen Kompetenz der CDU/CSU. Christliche Verbände und konservative Organisationen in NRW halten wenig vom Gesundheits-Kompromiss zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Boss Edmund Stoiber. „CDU und CSU sind nicht kompromissfähig“, sagt Georg Hupfauer, Vorsitzender der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung. Die KAB mit Hauptsitz in Köln hat im größten Bundesland 100.000 Mitglieder. Angesichts des „nicht finanzierbaren Bürokraten-Modells für Singles“ zweifelt der KAB-Vorsitzende, ob die Union derzeit in der Lage sei, „Politik zu gestalten“.

Während der Chef der CDU-Sozialausschüsse (CDA) und NRW-Landtagsabgeordnete, Hermann-Josef Arentz, die Einigung auf ein bürokratisches Kopfpauschalen-Modell zu Wochenbeginn begrüßt hatte, kritisieren CDU-nahe Gruppierungen wie die KAB den Kompromiss. Bundeschef Hupfauer etwa bemängelt, dass die Alleinstehenden Gewinner des Union-Modells seien. „Stoiber und Merkel wollen Singles mit einem Bruttoeinkommen bis zu 3.487 Euro mit bis zu 128 Euro entlasten. Umgekehrt soll ein alleinverdienender Familienvater mit dem gleichen Bruttoeinkommen 210 Euro bezahlen und erfährt keine Entlastung“, so der Arbeitnehmer aus Alsdorf. Einige Geringverdiener müssen sogar noch tiefer in die Tasche greifen, um ihre Familien vor dem Krankheitsrisiko zu schützen. „Eine Pauschale schafft keine Gerechtigkeit“, so der parteilose Hupfauer gestern zur taz.

Hupfauer bevorzugt die Idee der Bürgerversicherung, wie sie von SPD und Grünen, aber auch von christlich-sozialen Politikern wie Horst Seehofer vorgeschlagen wird. Auch die evangelische Arbeitnehmerorganisation BVEA lehnt das Unionsmodell ab. Die Bundesvorsitzende Brunhild Bald bezeichnete den CDU/CSU-Vorschlag gestern als „finanziell unsolide“. Das Konzept löse keineswegs die Probleme der Kassen und der Versicherten. „Es ist im Kern eine Mogelpackung“, so Bald.

Deutlich rechts von den christlichen Arbeitnehmer-Organisationen steht der Familienbund der Katholiken. Die Führung des stramm konservativen Verbands kritisiert die Union gern wegen fehlender Familienfreundlichkeit. „Wir wollen nicht verfrüht sagen, das ist gegen Familien, sondern rechnen das Modell erst einmal genau durch“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Doch schon das Ursprungskonzept der so genannten „Herzog-Kommission“ hatte der Familienbund als ungerecht kritisiert. Von dieser Lobbyorganisation dürfte die CDU also ebenso wenig Unterstützung bekommen wie von Kirchenvertretern. Die derzeit in Bielefeld tagende Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen diskutiert bis Freitag auch über die Reformkonzepte der politischen Parteien. Ohne die Unionspläne konkret anzusprechen, warnte Präses Alfred Buß am Montag – dem Tag der Unions-Einigung – die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland müssten „auch für kommende Generationen nachhaltig und zukunftsfest“ sein. MARTIN TEIGELER