Traum vom „blühenden Standort“

Das „Kalk-Programm“ läuft nach 10 Jahren aus. Mit ihm sollte der Stadtteil den Strukturwandel packen. Die Bilanz von Beteiligten auf einer Podiumsdiskussion ist jedoch arg durchwachsen

Von Thomas Spolert

Mit dem Niedergang der traditionellen Industrie gingen in Kalk Anfang der 90er Jahre rund 13.000 Arbeitsplätze verloren. Dem einst prosperierenden Stadtbezirk im Rechtsrheinischen drohte die Verelendung. Diese „Slum-Bildung“ wollte man verhindern. Und so pumpten der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Köln seit 1994 im Rahmen des Programms für „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ rund 50 Millionen Euro in den darniederliegenden Stadtteil. Damit neue Arbeitsplätze entstehen und soziale Angebote für die betroffene Bevölkerung gemacht werden können. Ende diesen Jahres läuft das „Kalk-Programm“ aus. Auf einer Podiumsdiskussion „Kalker Perspektiven – Vom Umbruch zum Aufbruch“ im Bezirksrathaus zogen am Dienstagabend Vertreter aus Kalk Bilanz.

Zunächst erinnerte Winfried Dohm, Bezirksvorsteher von Kalk, noch einmal an die goldenen Zeiten des Stadtteils, als Industriebetriebe wie die Chemische Fabrik Kalk (CFK) und die Klöckner Humboldt Deutz AG (KHD) das Bild prägten. „Mit dem Steueraufkommen von Kalk hat sich sogar einmal der gesamte Etat der Stadt Köln finanziert.“ Vor zehn Jahren sei Kalk jedoch durch den wirtschaftlichen Strukturwandel „ganz, ganz unten“ gewesen, so Dohm. „Auf einen Schlag hatten wir eine Arbeitslosenquote von 25 Prozent“, beschrieb Andreas Madaus vom „Verein zur Förderung der rechtsrheinischen gewerblichen Wirtschaft“ die damalige Lage. „Verwahrloste Straßen und Industriebrachen prägten das Bild“, ergänzte Gudrun Kirch, die Sprecherin des Arbeitskreises Kalk (AK Kalk). Der AK ist ein Zusammenschluss von über 50 Trägern aus dem soziokulturellen Bereich, der die Projekte des Kalk-Programms koordiniert.

Den Strukturwandel hat Kalk nach Ansicht von Kirch in den letzten 10 Jahren allerdings nicht gemeistert. Zwar habe sich die Zusammenarbeit der Projekte verbessert, aber die Lebenssituation der Menschen habe sich noch nicht wesentlich geändert. „Wir haben immer noch 20 Prozent Arbeitslose“, stimmte ihr Madaus zu. Er betonte jedoch, dass mit dem Hagen-Gelände und dem Technikhof die wirtschaftliche Situation verbessert wurde. Hier hätten sich neue Betriebe aus der Biotech-Branche, der IT-Szene und Handwerker angesiedelt. „Ein Slum ist in Kalk nicht entstanden“, zog er eine eher positive Zwischenbilanz.

Deutlichere Worte fand dagegen Manfred Kreische aus Kalk, seit Jahren „Einzelkämpfer“ im AK. Die Aktivierung der Bürger sei nicht gelungen, bedauerte er. „Das Kalk-Programm ist gescheitert“, stellte Kreische ohne Umschweife fest. Er forderte eine „Bürgerstiftung“ für die künftige finanzielle Absicherung der soziokulturellen Projekte. Dem widersprach allerdings Bezirksvorsteher Dohm: Für ihn ist das Kalk-Programm nicht gescheitert. Das Problem seien die sozialen Projekte, die selbst kein Geld erwirtschaften. Sie sollen künftig mit einer „Bürgerstiftung“, die derzeit im AK Kalk bereits geplant wird, weiterfinanziert werden. AK-Sprecherin Kirch stimmte Kreisches Kritik dennoch zu. „Die Beteiligung der Bürger könnte noch besser sein.“

Trotz der zwiespältigen Bilanz nach zehn Jahren, blickten alle Podiumsgäste überraschend positiv in die Zukunft. Bezirksvorsteher Dohm erwartet in den kommenden zehn Jahren sogar einen „blühenden Standort und Stadtteil“. Die Sprecherin vom AK Kalk blieb allerdings verhaltener. Baudezernent Bernd Streitberger sprach auch von „Risiken“. So gebe es keine Garantie für die Ansiedlung neuer Firmen und damit zusätzlicher Arbeitsplätze. Trotzdem zeigte auch Streitberger Optimismus: „Die Arbeitslosenquote wird wesentlich niedriger sein.“