Mehr Gläubiger als Gläubige

Der Klingelbeutel ist leer in der Nordelbischen Evangelischen Kirche. Auf einer heute beginnenden Synode wird beraten über Personalabbau, Fusion von Kirchenkreisen und Verkauf von Gotteshäusern. Selbst an Bischöfen soll gespart werden

Aus RendsburgEsther Geißlinger

Kopf einziehen und beten? Das allein reicht nicht: Die Nordelbische Evangelische Kirche (NEK) steckt in Geldschwierigkeiten. Und bevor sich mehr Gläubiger als Gläubige um die Gotteshäuser drängen, werden jetzt die Kassen gestürzt und die Bereiche neu zugeschnitten: Bei der heute in Rendsburg beginnenden dreitägigen Synode wollen die Vertreter der Kirchenkreise ein Reformpaket schnüren, um fit für die Zukunft zu werden.

Es geht um mehr als ein paar Klingelbeutel: Seit Jahren sinken die Einnahmen aus der Kirchensteuer – Gründe sind die schrumpfende Zahl Erwerbstätiger und Austritte. Zwar erhielt die Nordelbische Kirche, der rund 2,5 Millionen evangelische Christen in 637 Gemeinden in Schleswig-Holstein und Hamburg angehören, in diesem Jahr noch rund 280 Millionen Euro aus dem Steuertopf, aber der Betrag wird jährlich nach unten korrigiert. Im Jahr 2010 könnte nur noch die Hälfte übrig sein, fürchten die Kirchenstrategen.

Angesichts dieser Zahlen klingt Synodenpräsident Hans-Peter Strenge mehr wie ein Wirtschaftsmanager, der schlechte Bilanzen verkaufen muss, als ein Vertreter der frohen Botschaft: „Strukturelles Defizit“, „Synergieeffekte“, „Besinnung auf Kernaufgaben“ – und am Ende möglicherweise Personalabbau.

Gespart werden soll auf allen Ebenen, angefangen bei den Gemeinden bis hin zu den Bischöfen. Zurzeit sind es drei, die sich einerseits um geistliche Aufgaben der ihnen zugeordneten Kirchenkreise, andererseits um Verwaltungsfragen kümmern. Zwei Modelle liegen dem Kirchenparlament vor: Entweder bleibt es bei drei Bischöfen in Schleswig, Lübeck und Hamburg, von denen einer dauerhaft mit der Kirchenleitung betraut ist, oder es wird nur noch einen Bischof mit Leitungsaufgaben geben, dem zwei Landespröpste zugeordnet sind. In beiden Fällen ist ein fester Dienstsitz in der Landeshauptstadt Kiel, ein zweiter in Hamburg. Der dritte Bischof beziehungsweise zweite Landespropst würde sich um den Landesteil Schleswig kümmern. Strenge wagt vor Beginn der Synode keine Prognose: „Es ist schwer zu sagen, welches Modell sich durchsetzen wird.“

Noch stärker schlagen die Reformen auf unterer und mittlerer Ebene durch: Aufgaben wie Senioren- oder Jugendarbeit, um die sich die so genannten kirchlichen Werke kümmern, sollen möglicherweise in Regionalzentren zusammengefasst werden. Strenge denkt außerdem über Immobilienfragen nach: „Gerade im Hamburger Raum könnte es für Gemeindehäuser und Ähnliches Anschlussnutzungen geben.“ Auch Schließungen und Verkauf von Kirchen will er nicht ausschließen: „Aber das ist nicht das Ziel.“

Denn, so die Botschaft zwischen den Zahlen: „Auch wenn sich die Gemeinden zu größeren Einheiten verbinden, wollen wir, dass die Kirchtürme erkennbar bleiben.“ Es könnte allerdings sein, „dass nicht mehr jeden Sonntag in jeder Kirche gepredigt wird“ – Gottesdienst mobil.

Die Kirchenbasis ist verständlicherweise nicht glücklich, aber, so sagt Friedrichstadts Ortspastor Michael Jordan: „Es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken, wir müssen die bitteren Pillen annehmen.“ Kirchenmausarm ist die evangelische Gemeinde in der nordfriesischen Kleinstadt schon lange, die Probleme sind die gleichen wie überall: Der Turm des historischen Gotteshauses muss gedeckt werden, durch ein Kirchenasyl vor einigen Jahren entstand ein Schuldenberg, Mitarbeiter sind kaum mehr zu bezahlen.

Die Gemeinde war immer stolz auf ihre professionelle Kirchenmusik, die mehrere Chöre umfasste. Eine hauptberufliche Kraft kann sich die Gemeinde aber nicht mehr leisten – wäre die angestellte Musikerin nicht von sich aus gegangen, sie wäre vermutlich entlassen worden. „Man hat den Anspruch an Kirche, dass es anders läuft als in einem Wirtschaftsunternehmen“, sagt Jordan. „Aber wir können die Augen vor der Realität nicht verschließen.“ Er hofft aber, dass sich die Kirche in den kommenden harten Jahren auf ihre Kernaufgaben besinnt und vor allem die Ortsgemeinden nicht vernachlässigt: „Denn sonst ist es wie in jedem Verein: Wenn die Menschen nicht mehr spüren, dass sie etwas davon haben, gehen sie raus.“