Liberal ins Grab

CDU stellt ihre Vorschläge zur Liberalisierung des Bestattungswesens zur Diskussion. Kirchenvertreter beharren auf Friedhofszwang, akzeptieren aber Leichentücher, Friedwälder und Pappsärge. Bestattern und Gärtner bleiben kritisch

Bremen taz ■ Der Leiter des Bestattungswesens der Stadt Bremen sitzt in der letzten Reihe im Saal und kommt erst ganz zum Schluss zu Wort. „Ganz fürchterliche Briefe“ bekomme er in immer größerer Zahl, berichtet Michael Birkholz, er hat sich hingestellt und das Tischmikrofon in die Hand genommen, damit ihn alle sehen können, im Sitzungssaal der Bürgerschaft, wo sonst Ausschüsse tagen und gestern die CDU zur Diskussion über Friedwälder und Leichentücher geladen hatte. Von Briefen berichtet Birkholz, in denen sich alte Leute hilfesuchend, ja verzweifelt an ihn, den Chefbestatter und obersten Leiter der Bremer Friedhöfe wendeten. Menschen, die offensichtlich zuvor einen Blick auf die einschlägigen Preislisten geworfen haben. Eine Erdbestattung können sie sich nicht leisten, ahnen sie dann, eine Feuerbestattung? Das Schlimmste für sie. Jeder dritte Tote in Bremen lässt sich inzwischen verbrennen und die Urne anonym bestatten. „Das ist die billigste Art einer Bestattung“, sagt Birkholz. Soll heißen: Wer über eine Reform, ja Liberalisierung des Bestattungswesens reden will, darf monetäre Aspekte nicht ausklammern. Birkholz: „Das ist auch ein Preisproblem.“

Der Bremer Bausenator Jens Eckhoff (CDU) und der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten in der Bürgerschaft, Jörg Kastendiek, hatten genau das zunächst ausgeschlossen. Nicht Geld, betonte Eckhoff, sei der Anlass gewesen, im Sommer mit Vorschlägen für ein neues Bestattungsrecht an die Öffentlichkeit zu treten, sondern der offensichtliche Wunsch einer Mehrheit der Bevölkerung, die strengen Regeln in diesem Bereich zu lockern. Zusammengefasst in vier Punkten, mit zunehmender Strittigkeit: Friedwälder ermöglichen, Pappsärge für Feuerbestattungen zulassen, Sargzwang aufheben, Urnen auf dem Kaminsims erlauben. Plus eine wohl unumstrittene neue Vorschrift, wonach Kliniken und Geburtshäuser Eltern im Falle einer Fehlgeburt darüber aufklären müssen, dass es auch für das totgeborene Kind eine Beerdigung geben kann.

Gestern waren die Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche, der jüdischen wie einer muslimischen Gemeinde geladen, Kritik oder Zustimmung zu den Vorschlägen zu äußern, neben den Lobbyisten der Bestatter, Friedhofsgärtner und Friedwald-Betreiber. 80 überwiegend ältere CDU-Getreue waren der Einladung gefolgt.

Vehementen Widerspruch ernteten Eckhoff und Kastendiek von Kirchenseite nur für den Vorschlag, den Friedhofzwang aufzuheben. Die Pflicht, die sterblichen Überreste auf einem öffentlich und dauerhaft zugänglichen Terrain zu verwahren, „darf nicht aufgegeben werden“, insistierte Siegbert Wesner von der Bremischen Evangelischen Kirche. Probst Ansgar Lüttel warnte vor Urnen, die ein paar Jahre im Wohnzimmer stünden und schließlich im Müll landeten: „Der Staat hat die Verpflichtung, die Würde des Toten gegen den Willen des Einzelnen zu verteidigen.“ Klatschen.

Gegen eine Aufhebung des Sargzwangs, die etwa eine Bestattung nach muslimischem Brauch im Leichentuch ermöglichen würde, wie sie in Bremen bislang nur in Ausnahmefällen und auf Antrag möglich ist, hatten weder Lüttel noch Wesner grundsätzlich etwas einzuwenden, auch Pappsärge, so sie die Würde wahrten, seien kein Problem. Und wer auf die christliche Lehre pfeife, dürfe sich auch in einem Wald begraben lassen.

Probleme mit einem liberalisierten Bestattungswesen hätten allenfalls Bestatter und Gärtner: Billigere Särge, weniger Gräber, die bepflanzt werden wollen. sim