Mit „Disziplinstrenge“ Abstieg verhindern

Der 60-jährige Jörg Berger spielt noch mal den Feuerwehrmann und soll als neuer Trainer Hansa Rostock retten

ROSTOCK taz ■ Genau vor einem Vierteljahrhundert hatte Hansa-Vorstandsmitglied Rainer Jarohs das letzte Mal mit dem Trainer Jörg Berger zu tun. Jarohs befand sich 1979 als Spieler mit der B-Auswahl der DDR auf Jugoslawienreise. Eines Morgens blieb der Platz des Trainers beim Frühstück leer: Jörg Berger war abgehauen, in den Westen.

Am gestrigen Mittwoch, 25 Jahre später, verkündete Hansa-Vorstandschef Manfred Wimmer in Rostock: „Ab sofort hat für uns eine neue Zeit angefangen. Wir schauen jetzt nach vorn.“ Seit Montag verhandelte der Vorstand in Person von Wimmer, Herbert Maronn und Rainer Jarohs mit Berger in Berlin. Dienstagabend war man sich einig. Jörg Berger erhält in Rostock einen Vertrag bis 2006, gültig für die 1. und 2. Bundesliga. Die Verhandler heimsten dafür das „ausdrückliche Lob“ von Hansa-Boss Prof. Horst Klinkmann ein. Herbert Maronn betonte: „Es hat zu keinem anderen Trainer als Berger Kontakt gegeben.“ Obwohl der Andrang groß gewesen sein soll. Die ersten Bewerbungsfaxe Arbeit suchender Fußballlehrer trudelten bereits am Sonntag um 20.20 Uhr ein.

Mit Jörg Berger kehrt der Inbegriff des Feuerwehrmannes zurück in die Bundesliga und zurück in den Osten. 1990 hatte er auf eine Anfrage von Dynamo Dresden noch geantwortet: „Ich kann mir nicht vorstellen, noch mal in den Osten zu gehen.“ Heute, 15 Jahre später, bekennt der 60-Jährige: „Ich habe mich über den Anruf von Hansa gefreut.“ Vor fünf Monaten beendete er sein letztes Engagement in Aachen. Er wolle „wieder arbeiten“, weil ihm zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen sei. Zuletzt hätten sich daheim schon die Kinder beschwert: „Papa nervt.“ Berger kommt daher vorerst ohne Familie an die Ostsee. „Jetzt gibt es für mich erst mal nur Fußball.“

Berger sprach dies, eingerahmt von der Hansa-Führung, in feinem sächsischem Dialekt. Gäste aus dieser Sprachregion müssen im Norden vielfach für Scherze herhalten. Bei Hansa soll diese Sprache nun die sein, welche die Spieler auch verstehen. Berger bringt seinen langjährigen Co-Trainer Frank Engel mit, mit dem er schon in Krisenherden wie Frankfurt oder zuletzt Aachen erfolgreich war. Engel ist gebürtiger Leipziger, also sprachverwandt. Der Dritte im Bund der Dialektiker ist Torwart-Trainer Perry Bräutigam – Thüringer zwar, aber das klingt ähnlich. Auf dem Platz wird es sich nun so anhören wie in der Urlaubssaison am Strand.

Leichtfertige Schlüsse sollten die Spieler daraus aber nicht ziehen. „Für die wird es von nun an nur noch Fußball geben. Sie müssen dem Verein etwas zurückgeben“, deutete Berger die Marschrichtung an. Sein Amtsantritt ging für die Spieler mit der sofortigen Kasernierung in ein Trainingslager bis Freitag einher. Für die, die es dann noch immer nicht begriffen hatten, fügte er an: „Ich bin der Letzte, der einen Spieler in Schutz nimmt. Hier müssen sich jetzt einige hinterfragen. Mit einige meine ich einige viele.“

Worte, so hart wie altes Brot, die in den Ohren des Vorstands und der Fans aber süß wie Weihnachtslieder klangen. Endlich haben sie den Trainer mit dem gewissen Härtegrad. Der den Spielern auch mal in den Allerwertesten tritt, wie es die Zaungäste etwas plastischer formulieren. Prof. Klinkmann zeigte sich derart euphorisiert, dass er Hansa „vor einer großen Zukunft“ sah und Berger einen „ausgesprochenen Psychologen“ nannte. Dann fabulierte er noch etwas von „Disziplinstrenge“. Die werde nun Einzug halten.

Ob das nun die Angstfurcht aus den Spielerköpfen lösen wird, scheint fraglich. Berger sah derweil in der Zukunft schon Martin Max auftauchen. Vielleicht kehre der ja zurück. Die Replik folgte auf dem Fuß. „Es könnte auch der Papst kommen, aber ich stehe definitiv nicht zur Verfügung“, ließ Max wissen.

DIRK BÖTTCHER