Gerster hält die Dokumententasche zu

Arbeitsämter-Chef Florian Gerster will die Verträge über den umstrittenen Werbeauftrag nicht an die Parlamentarier herausrücken: „Rechte Dritter berührt“. Sitzung des Wirtschaftsausschusses brachte wenig neue Erkenntnisse

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Der Frühtermin hat sich nicht so recht gelohnt. Morgens um acht traf sich gestern der Wirtschaftsausschuss zu einer Sondersitzung, um Florian Gerster zu befragen. Vom Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA) wollten die Bundestagsabgeordneten endlich genau wissen, warum die Beraterfirma WMP ohne Ausschreibung beauftragt wurde, für insgesamt 1,3 Millionen Euro eine Kommunikationsstrategie für die Arbeitsämter zu erstellen.

Am liebsten hätten die Abgeordneten die Originaldokumente eingesehen: also den Vertrag, den dazugehörigen BA-Vorstandsbeschluss sowie die Bewertungen der internen BA-Abteilungen. Doch Gerster rückte die Dokumente nicht heraus. Sie würden „Rechte Dritter“ berühren – also der Beratungsfirma WMP. Sonst müsste ja jeder Auftragnehmer der Bundesanstalt fürchten, dass sein Vertrag an die „Öffentlichkeit“ gelangen könnte. FDP und Union protestierten: Das Parlament sei nicht „die Öffentlichkeit“. Nun „prüft“ die Regierung, ob die Dokumente freigegeben werden.

Gerster jedenfalls will die Verträge und Vermerke allein seinen unmittelbaren Aufsichtsgremien zur Verfügung stellen. Doch dort scheinen die Dokumente noch nicht eingegangen zu sein. DGB-Vize Engelen-Kefer leitet momentan das BA-Verwaltungsratspräsidium – und sie ließ gestern knapp, aber doppeldeutig verlauten, sie „warte weiter auf eine sachliche Aufklärung“.

Ohne Einsicht in die Dokumente blieb den Abgeordneten gestern nur, sich ausführlich Gerster zu widmen. Mehr als zwei Stunden dauerte die Befragung. Hinterher wurde der BA-Chef von allen Seiten als „sehr auskunftsfreudig“ beschrieben. Doch selbst SPD-Parteigenosse und Wirtschaftsexperte Klaus Brandner wünschte mehr „Transparenz“.

Knackpunkt bleibt weiterhin die „Eilbedürftigkeit“ des Vertrags mit der WMP. Denn nur in außerordentlich dringenden Fällen dürfen größere Aufträge ohne Ausschreibung vergeben werden. Zwar bestritt niemand, dass das Image der BA im Frühjahr nicht das beste war. Schließlich brach die Konjunktur ein, die Arbeitslosigkeit nahm zu, und das Vertrauen in die neuen Instrumente wie „Personal-Service-Agenturen“ oder „Ich-AG“ war nirgends groß – weder bei der Bevölkerung noch bei den Mitarbeitern der Arbeitsämter. Aber bestand wirklich nicht die Zeit, eine ordentliche Ausschreibung durchzuführen? Zumindest die „zentrale Beschaffungsstelle“ und die Rechtsabteilung der BA sollen im Frühjahr ihrem Vorstand versichert haben, dass man „Eilbedürftigkeit“ behaupten könne.

Brandner befand am Ende: „Entscheidend ist, wie sich der Verwaltungsrat äußert.“ Daher wurde eine weitere Sitzung angesetzt – voraussichtlich am 10. Dezember sollen der BA-Verwaltungsrat sowie Wirtschaftsminister Clement (SPD) erscheinen, um ihre Erkenntnisse aus den Vertragsdokumenten vorzutragen. Außerdem will man den Bundesrechnungshof laden, der momentan den WMP-Vertrag und die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesanstalt für Arbeit überprüft. Bei der Kontrollbehörde weiß man allerdings nicht, ob man die engen Terminplanungen des Ausschusses einhalten kann. „Wir prüfen sorgfältig, das braucht Zeit“, hieß es dort.

Gerster gab sich gestern selbstbewusst und demütig zugleich. „Ich gelobe Besserung“. Gleichzeitig befand er aber auch, dass seine „Kanten“ durchaus hilfreich seien, um die BA-Reformen „auf Kurs zu halten“.