Regeln gefordert

KONSUM Bei den Themen Geld und Energie fühlen sich die Verbraucherzentralen vom Staat alleingelassen

AUS BERLIN RANIAH SALLOUM

Weg von den Bankenmanagern, hin zu den geprellten Kunden: Verbraucher müssen stärker ins Zentrum der Wirtschaftspolitik gerückt werden, forderte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) am Montag in Berlin. In einem Zehn-Punkte-Plan stellten die Verbraucherschützer ihre Forderungen zur Bundestagswahl vor. „Man kann nicht nicht nur darüber sprechen, wie die Risiken der Banken abgedeckt werden, und die Verbraucher im Regen stehen lassen“, sagte Vorstand Gerd Billen.

Besonders im Finanzbereich sehen die Verbraucherschützer großen Handlungsbedarf. Anleger, die durch die Insolvenz der US-Bank Lehman Brothers Geld verloren haben, hätten bis heute keine Unterstützung durch die Bundesregierung erhalten.

Nach Angaben des Bundesverbraucherministeriums verlieren Anleger jedes Jahr 20 bis 30 Milliarden Euro durch falsche Beratung. Manfred Westphal, Finanzexperte der Verbraucherzentralen, will Anlageberater stärker an Verbraucherinteressen binden. Oft erhalten Anlageberater Abschlussprämien je nach Produkt oder Bankvorgaben – unabhängig von den Bedürfnissen der Kunden.

Im Verbraucherministerium werden derzeit Standards für die Qualifikation und Vergütung von Finanzberatern diskutiert. Im Februar wurde ein Gesetzentwurf verabschiedet, der die Verjährungsfrist von Schadensersatzansprüchen bei Falschberatung von drei auf zehn Jahre verlängert. Außerdem wurden Anlageberater dazu verpflichtet, ein Protokoll des Beratungsgesprächs für den Anleger zu erstellen. Anleger sollen so Fehlberatungen leichter nachweisen können.

Neben strengen Regeln für die Finanzberatung sprachen sich die Verbraucherschützer für eine stärkere Förderung erneuerbarer Energien aus und größeren Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt. Nach wie vor sind die Strom- und Gasmärkte in der Hand weniger Anbieter. Vergangene Woche hatte das Bundeskartellamt die größten Stromversorger wegen des Verdachts auf Preisabsprachen untersucht. Außerdem sahen sich die Gasanbieter dem Vorwurf überhöhter Preise ausgesetzt. Das Bundeswirtschaftsministerium forderte Verbraucher auf, gegebenenfalls die Anbieter zu wechseln.

„Verbraucher sein ist kein Full-Time-Job“, sagte dazu Gerd Billen. Es liege in der Verantwortung des Staates, Verbrauchern Entscheidungen zu erleichtern. In mehreren Bereichen würden Konsumenten nicht verständlich informiert. So seien etwa die derzeitigen Energieverbrauch-Labels für Elektrogeräte verwirrend. Der Verband forderte eine besser nachvollziehbare Skalierung. Mehr Transparenz und klare Regeln brauche es auch für Online-Geschäfte. Immer wieder würde Internetnutzern ein teurer Vertrag ungewollt untergejubelt. Das Verbraucherministerium weist darauf hin, dass Unternehmen die Kostenpflichtigkeit ihrer Angebote klar kennzeichnen müssen. Bei Vertragsabschlüssen im Internet gilt auch prinzipiell ein Widerrufsrecht von zwei Wochen.

„Eine moderne Verbraucherpolitik kann einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Wirtschaftskrise liefern“, sagte Billen. Senioren, die eine immer wichtigere Konsumentengruppe darstellten, seien von der Verbraucherpolitik bisher stark vernachlässigt worden. Auch die Bedürfnisse von Migranten und Familien müssten stärker berücksichtigt werden. Die Familie als Verbraucher steht beim Verbrauchertag am 12. Mai mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Mittelpunkt.