UN-Konferenz: Regierung verteidigt ihren Boykott

RASSISMUS Grüne, Linke und NGOs kritisieren Fernbleiben Deutschlands von Konferenz in Genf

Boykott: Nach UN-Angaben boykottieren neun Mitgliedstaaten die Konferenz, darunter die USA und Israel. Aus der EU sind neben Deutschland Italien, Polen, Luxemburg und die Niederlande nicht dabei.

■ Eröffnung: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat in seiner Eröffnungsrede den Boykott kritisiert. „Wir träumen davon, in eine neue Richtung zu gehen, jedoch bleiben zu viele von uns der Vergangenheit verhaftet“, sagte Ban Ki Moon.

■ Rückruf: Noch vor Konferenzbeginn rief Israel seinen Botschafter aus der Schweiz zurück, nachdem der Schweizer Präsident seinen iranischen Kollegen Ahmadinedschad empfangen hatte.

BERLIN dpa/epd | Deutschland hält sich die Möglichkeit offen, doch noch in die Beratungen bei der umstrittenen UN-Konferenz gegen Rassismus einzusteigen. Die Bundesregierung werde das Treffen in Genf beobachten, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Montag. „Wenn sich ein positiver Ablauf abzeichnet, haben wir uns vorbehalten, in die Schlussdiskussion einzusteigen.“ Zugleich verteidigte die Regierung die Entscheidung, der noch bis Freitag dauernden Konferenz fernzubleiben.

Die fünftägige sogenannte Durban-II-Konferenz soll prüfen, ob es seit der ersten Anti-Rassismus-Konferenz vor acht Jahren in Südafrika Fortschritte beim Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gab. Die erste Konferenz war von Antisemitismusvorwürfen überschattet worden.

Mit dem Boykott nimmt Deutschland erstmals seit der Aufnahme in die Vereinten Nationen 1973 an einer großen UN-Konferenz nicht teil. Die Entscheidung gegen eine Teilnahme war am Sonntagabend nach langen Beratungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bekannt gegeben worden. Begründet wird dies vor allem mit der Sorge, dass die Konferenz von Staaten wie dem Iran für antiisraelische Parolen genutzt werden könnte. Die meisten anderen EU-Staaten nehmen an dem Treffen teil.

Grüne, Linke und Verbände kritisierten die Entscheidung der Bundesregierung. „Die Nichtteilnahme verhindert am allerwenigsten die Instrumentalisierungsversuche durch extreme und radikale Kräfte“, sagte Linksparteichef Lothar Bisky. „Der UN und den Menschenrechten hat die Bundesregierung damit einen Bärendienst erwiesen“, kritisierte der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck. Ähnlich äußerten sich auch das Forum Menschenrechte, zu dem sich 40 Nichtregierungsorganisationen zusammengetan haben, und der Interkulturelle Rat. Auch CDU-Außenexperte Willy Wimmer kritisierte die Absage.

Der Zentralrat der Juden hat den Boykott dagegen begrüßt. Es sei ein „mutiger Schritt“ der Bundesregierung, der ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus setze, sagte Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch. Viel zu oft hätten Länder wie der Iran, Libyen und Kuba diese Plattform der Vereinten Nationen für eigene „demokratiefeindliche Politik“ nutzen dürfen. Auch das American Jewish Committee begrüßt die Absage der Bundesregierung.

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