Relative Superlative

Hannover und Freiburg trennen sich beim ersten Bundesliga-Treffen 3:0 und haben mehr gemeinsam, als das Ergebnis vermuten lässt

aus HannoverDIETRICH ZUR NEDDEN

Volker Finke hatte „nach langer, langer Zeit“ wieder mal ein „richtig schlechtes Spiel“ seiner Mannschaft gesehen, Ralf Rangnick von der seinen „nach langer Zeit ein sehr, sehr gutes“. Adäquate Formulierungen, die wie Vorstudien zu einer speziellen Relativitätstheorie der Superlative klingen. Wie der 3:0-Sieg der 96er zustande kam, war zwar eine Angelegenheit, die an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig ließ, aber offenbar gerade deshalb den hannoverschen Trainer eher zur Genugtuung statt zu euphorischen Höhenflügen animierte, den des SC Freiburg aber auch nicht an die Klagemauer trieb.

Die Weltpremiere dieser Erstliga-Begegnungs-Datenbank war eines dieser Spiele, die einem hinterher das Gefühl geben, man habe schon fünf Minuten nach Anpfiff gewusst, dass es nicht anders als mit einem Sieg der Gastgeber enden würde. Als habe es an diesem Tag (einem moderat kalten Herbstsonnabend) an diesem Ort (Baustelle eines WM-Stadions) nie „null zu null“ gestanden; eines dieser Spiele, nach denen der klassisch geschulte Sportreporter den Gästen einen rabenschwarzen Tag erwischt zu haben attestiert und den Gewinnern eine tadellose Leistung.

Man war also auf beiden Seiten einverstanden mit dem Ergebnis, auch Freiburgs Bester, Torhüter Golz, beschränkte sich auf die Aussage, dass man damit zufrieden sein müsse. Kein Streitpunkt, keine Auslegungssache, kein – frei nach Helmut Gerland – Hätte-wenn-und-aber-Gelaber und kein falscher Pfiff des Schiedsrichters legten ihren Schatten auf die knapp gefasste Pressekonferenz zweier Trainer, denen die Fachwelt ein besonders hohes Maß an analytischen Fähigkeiten bescheinigt.

Von Anfang an bewegten sich die 96er gut sortiert und angriffslustig in Richtung Freiburger Tor – ohne Krupnikovic und Lala, aber mit der geballten Offensivkraft in Person von Brdaric, Christiansen, Stendel und Staijner –, während sich die Freiburger ohne Iaschwili und Diarra sowie mit einem grippal beeinträchtigt auf der Bank sitzenden Coulibaly mühten, die Folgen dieser gut sortierten Angriffslust zu minimieren. Chancen über Chancen erspielten sich die Hannoveraner, aber erst zwei Minuten vor der Pause war es so weit: Christiansens exakten Flugball auf links gab der quirlige Kleber mit der gleichen dringlichen Vehemenz weiter in den Fünfmeterraum, wo Brdaric den Ball über Golz hob und einlochte.

Der Reigen der guten Möglichkeiten für die 96er nahm auch in der zweiten Hälfte kein Ende, obwohl Freiburg nun zumindest gewillt war, sich an der Gestaltung des Spiels aktiver zu beteiligen. Doch das 2:0 in der 66. Minute durch Stendel, der nach Zuspiel von Brdaric allein auf Golz zueilte, ihn ins Leere rutschen ließ und souverän einschob, erledigte etwaige Zweifel.

Oh, wie sei das schön, sangen tausende von 96-Fans auf dem Weg zum Stadionausgang, so was habe man lange nicht gesehen und tatsächlich war es erst der zweite Heimsieg für die Roten in dieser Saison, dessen Bedeutung sich durch eine weitere Nachricht aus der Statistikdatei rundete: Acht Pflichtspiele lang waren sie nicht mehr ohne Gegentor geblieben.

Sehr viel weiter zurück in die Vergangenheit, so weit, dass es schon gar nicht mehr wahr ist, reichte der Blick auf das letzte Punktspiel der beiden Vereine: Im Februar 1993 gewann Freiburg mit 2:0 und stieg am Ende der Saison in die Erste Liga auf. Trainer des Sportclubs war damals schon der aus Hannover stammende Finke; der von 96 hieß Eberhardt Vogel, dem nicht weniger als acht weitere folgten, bis Ralf Rangnick engagiert wurde und aus 96 eine Erstliga-Mannschaft formte. Zwei sehr unterschiedliche Vereinsgeschichten, mit zwei Trainern, die fachlich in vielem übereinstimmen. Nicht nur beim Fazit dieser Weltpremiere.