Und es regnet doch

Verhinderung von Niederschlägen oder die Chronik eines angekündigten Sonnenscheins: Christoph Keller versucht sich bei Schipper & Krome an einer Neuauflage der Experimente Wilhelm Reichs

von PAMELA JAHN

Wenn einer behauptet, er würde den Novemberregen über Berlin verhindern, dann ist ihm nicht zu trauen – schon gar nicht, wenn es am Abend der großen Präsentation wie aus Kübeln schüttet. Komplett durchgeweicht in der Galerie Schipper &  Krome angekommen, möchte man eigentlich kein Wort mehr über das Wetter verlieren, das der Künstler Christoph Keller in den letzten Tagen nicht wie geplant zum Guten gewandt, nein, das er eher noch verschlechtert hat.

Dabei klang zur Eröffnung alles noch so viel versprechend: „Cloudbuster Project – Verhinderung von Regenfällen über Berlin in der Zeit vom 14. bis 28. November 2003“, hieß es auf der Einladung. Eine Schnapsidee – aber wenn man denn daran glauben wollte, hatte Keller mit dem Vorsatz, Regenwolken zu erzeugen, den New Yorkern dieses Jahr eindeutig ihren Sommer versaut. Kaum hatte er seinen „Cloudbuster“, eine Art Regenmaschine, aufgebaut, erlebte New York die längste Dauerregenperiode seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Mit der aktuellen Ausstellung präsentiert der Künstler sein spektakuläres Projekt nun in Berlin. Dabei ist die ganze Sache eigentlich gar nicht seine Idee. Im Grunde handelt es sich bei der Konstruktion um eine Erfindung des österreichischen Psychoanalytikers Wilhelm Reich, der damit Anfang der 50er-Jahre im amerikanischen Exil angeblich sehr erfolgreich vor sich hin experimentierte.

In seinen praktischen Erfahrungen als Psychotherapeut hatte der Autor von Werken wie „Massenpsychologie und Faschismus“ in den 20er-Jahren den Zusammenhang zwischen Neurose und Stauung sexueller Energie aufgedeckt. Ausgehend von Freuds Libido-Begriff postulierte er eine allumfassende, sowohl Lebewesen als auch organischer Materie innewohnende Lebensenergie, deren Strahlung er Orgon nannte. Nicht weniger haarsträubend waren die späteren Erfindungen, darunter jener Apparat zur Beeinflussung der Atmosphäre, mit dem er Regen erzeugte und schließlich auch zu verhindern wusste.

So kurios es sein mag, sich das konkret vorzustellen, so hilfreich ist es, den „Cloudbuster“ – eigentlich eine primitive Konstruktion, bestehend aus mehreren parallelen verlaufenden Metallrohren und Schläuchen – bei Schipper & Krome von Hand bedienen zu können. Per Videokamera wird das Gerät, das wie ein Geschütz vom Flachdach in der Linienstraße Richtung Alex zielt, auf eine schräg von der Decke hängende Parabolschüssel projiziert und lässt sich über eine Konsole mit Schaltknöpfen steuern. Das Ganze erinnert an eine Playstation – bis auf den kleinen Unterschied, dass der Feuerknopf fehlt, um sich nach den 14 Reich’schen Regeln der Wolkenmanipulation als kleiner Wettergott zu probieren.

In unserem Fall hatte sich Keller an Regel Nummer 12 gehalten, die besagt: „If you wish to destroy clouds, aim at centre of heaviest clouds.“ Aber Berlin ist eben in vielerlei Hinsicht ein schwieriger Fall – auch wettertechnisch. Und so zeigte sich Keller, der seit Jahren hier lebt und arbeitet, wenig enttäuscht über das Scheitern seines Experiments; als sei es nur konsequent, selbst nicht an das zu glauben, was man da tut. Eine „coole Ironie“, die mittlerweile wohl zum Handwerk eines erfolgreichen „young berlin artist“ gehört.

Trotzdem, das Projekt des 1967 in Freiburg geborenen Künstlers will mehr, als nur die hanebüchenen Experimente eines paranoiden Wissenschaftlers ins Leere laufen lassen. Frei von objektiv nützlichen Kriterien bringt Keller die alte Mensch-Macht-Natur-Frage in Zeiten der Klimakatastrophen ins Spiel – und ringt den vom Berliner Spätherbst genervten Kunstmenschen zugleich ein Schmunzeln ab.

„Cloudbuster Project, Teil 2“, Ausstellung noch bis bis 20. Dezember, Galerie Schipper & Krome, Linienstr. 85