IRLAND: GEGNER DES FRIEDENSABKOMMENS MÜSSEN EINBEZOGEN WERDEN
: Diktat der Mehrheit wäre fatal

Wie geht es weiter mit Nordirland? Die Wähler der britischen Krisenprovinz haben die Democratic Unionist Party (DUP) des wortgewaltigen Pfarrers Ian Paisley zur stärksten Partei gemacht. Deren Ziel ist es, das Belfaster Friedensabkommen von 1998, auf dem Regionalparlament und Regierung basieren, zu zerreißen und von neuem zu verhandeln. Das ist aussichtslos, wenn man bedenkt, welch semantischer Anstrengungen es bedurfte, das Abkommen damals so zu formulieren, dass alle Seiten einen Sieg für sich reklamieren konnten.

Die katholische sozialdemokratische SDLP, die Partei des Friedensnobelpreisträgers John Hume, des Architekten des Abkommens, ist die Verliererin der Wahl. Sie gab eine Menge Sitze an Sinn Féin ab, weil deren bewaffneter Flügel, die IRA, ihre Waffen eingemottet und Sinn Féin sich weite Teile des SDLP-Wahlprogramms zu Eigen gemacht hat. Es war Hume, der im Belfaster Abkommen durchgesetzt hat, dass man nordirische Politik nicht mit einfachen Parlamentsmehrheiten machen kann, sondern dass sowohl die katholisch-nationalistische als auch die protestantisch-unionistische Seite zustimmen muss, bevor etwas beschlossen werden kann.

Nachdem nun das Wahlergebnis eingetreten ist, das die Regierungen in London und Dublin gefürchtet haben, wird bereits gemunkelt, dass sie das einfache Mehrheitsvotum im Regionalparlament einführen wollen, um den Friedensprozess mit Hilfe der nationalistischen und gemäßigten unionistischen Stimmen, die für das Abkommen sind, zu retten. Das wäre fatal, damit würde man das Gegenteil erreichen. Das Diktat der Mehrheit hat in Nordirland noch nie funktioniert, wie die Versuche in den 50 Jahren nach der Teilung der Grünen Insel bewiesen haben, als Katholiken nichts zu melden hatten. Dieser Ausschluss einer Bevölkerungsgruppe vom politischen Geschehen führte zur Bürgerrechtsbewegung und schließlich zum Ausbruch des bewaffneten Konflikts.

So verlockend es sein mag, Paisley und die anderen Neinsager aufs Abstellgleis zu schieben, so verheerend wären die Folgen, denn eine deutliche Mehrheit auf protestantisch-unionistischer Seite ist nun mal gegen das Belfaster Abkommen. Das muss man akzeptieren, wenn man – wie Tony Blair – den Nordiren Demokratie beibringen will.

Die Alternative zum Abkommen ist ja nicht die Rückkehr zum Krieg, sondern zur Londoner Direktherrschaft. Allerdings muss sich die Sinn-Féin-Führung, die ihrer Basis das Abkommen als Sieg verkauft hat, dann fragen lassen, warum sie die IRA nicht schon vor 30 Jahren abgewickelt hat. Sehr viel weitergekommen ist man seitdem nicht.

RALF SOTSCHECK