Allein in der Fremde

FLÜCHTLINGE 49 Kinder und Jugendliche leben im Land Bremen, die ohne Familie nach Deutschland geflohen sind. Ihre Zukunftsaussichten sind düster

VON EIKEN BRUHN

„Schiff“. Mehr verrät der junge Mann aus Nordwestafrika nicht über seinen Weg nach Bremen, auch über seine Gründe, als Teenager in ein unbekanntes Land zu fliehen, spricht er nicht. Sein Name soll geheim bleiben, ebenso sein Alter. Zu groß ist die Angst vor „Problemen“ – von denen gab es in seiner Heimat genug. Alles, was er hier möchte, ist arbeiten, um Geld für sich und seine Familie in Afrika zu verdienen. So hat er es sich ausgemalt – er wusste nicht, dass er ohne gesicherten Aufenthaltsstatus nicht ohne Weiteres arbeiten darf.

So enttäuscht und frustriert wie er, erzählt er, seien die meisten „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge“, wie sie im Amtsdeutsch genannt werden. 49 – darunter ein Fünftel Mädchen – lebten im Februar im Land Bremen, hat der Senat jetzt auf eine Anfrage der Grünen geantwortet, zwei von ihnen in Bremerhaven. Doch viele weitere der Grünen-Fragen zu den Lebensbedingungen der jungen Flüchtlinge wurden gar nicht oder nur vage beantwortet. So heißt es, ein „erheblicher Teil“ sei nicht in Flüchtlingsheimen, sondern normalen Kinderheimen untergebracht. Entweder weil sie noch keine 14 sind – oder Mädchen. Um wie viele es sich handelt, ist leicht herauszubekommen: In einem Heim des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) leben fünf Jugendliche, in der anderen spezialisierten Einrichtung des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) sind es 27.

Die vagen Angaben irritieren, weil es eine auf die Thematik spezialisierte „Begleitgruppe“ im Amt gibt und fast alle Jugendlichen denselben Amtsvormund haben. Nur sechs haben einen Vormund, der sich ausschließlich um ihre Belange kümmert. Zwar kennt der Amtsvormund nach Auskunft einer Senatssprecherin „inzwischen fast alle“ seiner Mündel, doch auch die Sozialsenatorin ist der Ansicht, dass eine Einzelvormundschaft die Interessen der Jugendlichen mindestens genau so gut wahren kann und unterstützt ein Projekt zur Gewinnung von Privatpersonen.

Ob ein privates Engagement die Chancen auf Asyl verbessert, ist fraglich. Früher sei der Antrag automatisch gestellt worden, sagt die Senatssprecherin Petra Kodré, doch die Erfolgsaussichten seien gering. Hinzu kommt das Problem, dass die Jugendlichen die Anwaltskosten aus ihrem Taschengeld von 40 Euro pro Monat bestreiten müssen, wie der Sozialarbeiter Noe Chitula vom DRK erklärt. Abgeschoben würden zwar die wenigsten, sagt Jutta Becks, Geschäftsführerin der ASB-„Gesellschaft für Zuwandererbetreuung mbH“, aber ihre Zukunftsaussichten in Deutschland seien düster. Einige, das weiß der Namenlose aus Nordwestafrika, würden versuchen, eine Deutsche zu heiraten oder zu schwängern, andere verdingten sich als Kleindealer, damit ihre Familien das Geld für die Schlepper zurückzahlen können. „Verzeihung“, sagt der Junge in gebrochenem Deutsch, aber „das ist Scheiße“.

Eine Arbeitserlaubnis und bessere Ausbildungsmöglichkeiten fordert deshalb auch Becks vom DRK. Und: Geld für Sprachkurse in den Heimen, weil sie in den Deutschkursen in der Schule nicht individuell gefördert werden könnten. Viele sprechen auch nach Jahren kaum Deutsch, weil sie sich untereinander auf Französisch unterhalten und keine Kontakte zu deutschen Gleichaltrigen haben. Doch selbst mit einem Schulabschluss und guten Deutschkenntnissen mag Becks ihnen keine große Hoffnung machen. „Nicht angesichts der Arbeitsmarktlage“.