Nordirland: Friedensprozess auf Eis gelegt

Gegner des Karfreitagsabkommens gewinnen Parlamentswahlen. London wird Krisenregion weiterhin regieren

DUBLIN taz ■ Das Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998, das Nordirland Frieden bringen sollte, ist tot. Parlament und Regierung werden eingemottet, die britische Krisenprovinz wird auf unabsehbare Zeit direkt aus London regiert. Bei den Wahlen am Mittwoch, deren Ergebnis aufgrund des komplizierten Wahlsystems mit Stimmübertragungen erst am Wochenende feststand, hat sich zum ersten Mal eine Mehrheit der protestantisch-unionistischen Wähler für die Democratic Unionist Party (DUP) des Pfarrers Ian Paisley entschieden. Sie gewann 30 Sitze im 108-köpfigen Parlament. Die Ulster Unionist Party (UUP) des bisherigen Premierministers und Friedensnobelpreisträgers David Trimble kam hingegen nur auf 27 Abgeordnete. Von denen sind eine ganze Reihe mit Paisley der Meinung, dass das Belfaster Abkommen „neu verhandelt“ werden müsse, was seine Suspendierung bedeuten würde.

Auf katholisch-nationalistischer Seite gewann Sinn Féin, der politische Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), 24 Mandate – sechs mehr als die sozialdemokratische SDLP, die bisher den Vizepremierminister stellte. Im neuen Parlament dürfte die DUP den Premierminister und Sinn Féin seinen Stellvertreter bestimmen, doch dazu wird es nicht kommen. Als ein Fernsehreporter Paisley fragte, ob er mit Sinn Féin verhandeln werde, packte der ihn am Kragen und schüttelte ihn wütend ob dieses Ansinnens. Wer mit einem Sinn-Féin-Politiker spreche, fliege aus der Partei, donnerte der 77-jährige Pfarrer.

Die „Frauenkoalition“, ein liberales, überparteiliches Bündnis, verlor ihre beiden Sitze. Neu bei den Wahlen war auch, dass ein relativ hoher Prozentsatz der Stimmen über die Gräben zwischen den beiden Bevölkerungsteilen transferiert wurden: Die SDLP und die UUP schanzten sich gegenseitig Zweitstimmen zu, damit sie nicht an die Rivalen im eigenen Lager fielen. Dieser Plan ging nicht auf.

Nordirlands Regierung und Parlament waren im Oktober vergangenen Jahres suspendiert worden, weil die IRA angeblich im Parlamentsgebäude spioniert hat. Trimble forderte die vollständige Abrüstung der IRA, bevor er wieder eine Mehrparteienregierung mit Sinn Féin bilden wollte. Selbst wenn die IRA nun einwilligte, käme das zu spät: Sinn Féins Verhandlungspartner ist nicht mehr Trimble, sondern Paisley. RALF SOTSCHECK

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