Wimper in der Melone

Pestizid-Monitoring im Öko-Handel: Bio-Ware weitgehend schadstofffrei. Ein Besuch bei Leuten, die beruflich nach Nadeln im Heuhaufen suchen

Aus HamburgGernot Knödler

Günter Lach vergleicht die Schwierigkeiten seines Berufs mit dem Versuch, eine Wimper in einer Melone zu suchen. Aufzuspüren, ob etwas und wie viel von der fein verteilten Wimper in der Melone steckt – das ungefähr sei sein Job und der seiner Mitarbeiter im Hamburger Analyse-Labor Dr. Specht & Partner. Für den Bundesverband Naturkost Naturwaren Herstellung und Handel (BNN) haben sie 18 Monate lang Bio-Obst und -Gemüse auf Pestizidrückstände hin untersucht. „Das Projekt stellte den Teilnehmern Bestnoten aus“, freut sich BNN-Geschäftsführerin Elke Röder. Bei 92 Prozent der Proben ließen sich keinerlei Pestizide oder nur Spuren davon an der Nachweisgrenze feststellen. Im konventionellen Landbau ist dieser Wert ein Vielfaches schlechter.

An dem Monitoring-Projekt, das zur Hälfte vom Bundesministerium für Verbraucherschutz finanziert wurde und Ende des Jahres ausläuft, nahmen 29 Großhändler und Importeure für Bio-Obst und -Gemüse teil. Sie repräsentieren rund 80 Prozent des deutschen Marktes. Lediglich bei 33 von insgesamt 632 gezogenen Proben konnten Lachs Laboranten überhaupt Rückstände feststellen (5,2 Prozent). Die gesetzlich zulässige Höchstmenge wurde in 0,8 Prozent aller Fälle überschritten. Im konventionellen Landbau sind mehr als 20 Prozent des Obsts und Gemüses giftiger als die Polizei erlaubt. Dabei nimmt der BNN für sich in Anspruch, dort Proben gezogen zu haben, wo das Risiko, Pestizidrückstände zu finden, besonders hoch ist, etwa bei Anbietern, die bereits einmal aufgefallen sind oder beim ersten Obst der Saison.

Für die Kontrolle entnehmen die Prüfer einer Lieferung Broccoli vier Strünke aus unterschiedlichen Stiegen, rund ein Kilo, die in lebensmittelechte Tüten verpackt und beschriftet werden. Ist die Ware zu beanstanden, können Bauer und Erntezeitpunkt ermittelt werden. Das wiederum lässt Rückschlüsse auf die Fehlerquelle zu.

Bei einem Bauern aus den Vier- und Marschlanden vor den Toren Hamburgs erwies es sich als fatal, dass er Gewächshäuser baute. Die hohen Temperaturen darin mobilisierten Gifte, die zur Zeit des konventionellen Anbaus bis Mitte der 80er Jahre in den Boden gelangt waren. Der Landwirt musste den Boden austauschen lassen.

Im Labor wird die Probe durch Pürieren oder Häckseln homogenisiert und in mehreren Schritten so weit gereinigt, dass im Idealfall ein winziges Fläschchen farbloser Flüssigkeit übrig bleibt, etwa von der Menge einer Parfüm-Probe. Dieser Extrakt wird durch ein Gerät geschickt, in dem unterschiedliche Stoffe zu verschiedenen Zeitpunkten erfasst werden. Der charakteristische Zeitpunkt zeigt an, um welchen Stoff es sich handeln könnte. Eine gezielte Zerstörung der Moleküle gibt anhand charakteristischer Trümmer schließlich Aufschluss über die Identität des Stoffes.

„Wir können mit dieser Multimethode 150 bis 400 Stoffe in einem Durchgang erfassen“, sagt Lach. Für 250 Euro pro Probe finden seine Mitarbeiter Stoffe in einer Größenordnung von 10 Millionstel Gramm pro Kilogramm. Der Labor-Geschäftsführer kann das auch anhand des 150.000 Bruttoregistertonnen großen Passagierriesen Queen Mary und einem 150 Kilogramm schweren Kapitän erklären. „Wir können mit der Analytik feststellen, ob der Kapitän an Bord ist und heute sogar, ob er eine Mütze aufhat“, sagt Lach. Ein Rest Unsicherheit beschränke sich auf die Frage, ob dieser eine, zwei oder drei Mützen trägt.