Erst schießen und dann fragen

Volker Heller, Chef der Kulturmanagement Bremen (k.m.b.), über die Vorwürfe des Rechnungshofs und Bremer Kulturpolitik

Bremen taz ■ Herr Heller, die k.m.b. steht massiv in der Kritik und Sie wechseln zum 1. Januar nach Berlin, um die dortige Kulturabteilung zu leiten. Verlässt der Kapitän nun das sinkende Schiff?

Volker Heller: Ich habe schon vor einiger Zeit in Berlin diese enorm reizvolle Stelle angeboten bekommen. So sehr ich die Arbeit mit der k.m.b. schätze, bei dieser Berliner Chance konnte ich schlecht „nein“ sagen.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen des Rechnungshofes, die kmb hätte die Bürgerschaft in ihren Kontrollrechten umgangen und sei zu teuer bei nicht erkennbarem Nutzen?

Das ist doch Unsinn. Die k.m.b. hat überhaupt erst dafür gesorgt, dass die Bürgerschaft auf Basis solider Zahlen, Daten und Fakten ihr Kontrollrecht qualifiziert wahrnehmen kann. Die k.m.b. hat zudem dafür gesorgt, dass die institutionellen Förderungen des Ressorts schnell, rechtskonform und nach einem einheitlich hohen Standard durchgeführt werden können.

Das von der k.m.b. entwickelte know-how zeitgemäßen Kulturmanagements wird bundesweit beachtet. Wenn die k.m.b. diese Arbeit nicht gemacht hätte, hätte es jemand anders machen müssen, und das hätte genauso Geld gekostet. Aber anscheinend gibt es Personen, die mit einem noch im Entwurfsstadium befindlichen Papier des Rechnungshofs nach dem Motto „erst schießen und dann fragen“, verfahren. In der nächsten Woche wird es einen ersten mündlichen Erörterungstermin mit dem Rechnungshof geben, in dem viele Dinge klargestellt werden können.

Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen k.m.b. und Kulturbehörde in den letzten Jahren entwickelt?

Das kann man so pauschal nicht beantworten. Die Kulturbehörde ist nicht so homogen, wie man sich das von außen vorstellt. Insgesamt hat sich die Zusammenarbeit über die Jahre positiv entwickelt, zum Teil arbeiten die jeweiligen Mitarbeiter sehr, sehr eng zusammen. In einzelnen Teilen gibt es aber auch immer noch Probleme.

Fakt ist: Die k.m.b. ist mit einem Senatsauftrag gegründet worden. Die Ursache dafür waren Funktionsdefizite und -störungen in der Verwaltung. Die k.m.b. sollte also bestimmte Funktionen neu aufbauen. Das hat sie auch sehr erfolgreich gemacht.

Parallel dazu hat eine Reorganisation der Kulturverwaltung bis heute nicht stattgefunden, weil es unter den Rahmenbedingungen des öffentlichen Dienstes in Bremen immer wieder möglich gewesen ist, dass einzelne Interessengruppen Veränderungen blockiert haben.

Gab es dabei keine politische Führung mit Entscheidungskompetenz?

Klar gab es die. Aber das Problem hat etwas damit zu tun, eine Reorganisation unter den Rahmenbedingungen des bremischen Personalvertretungsgesetzes und den Gepflogenheiten des öffentlichen Dienstes durchzuführen.

Aber auch kulturpolitische Konzepte wurden immer wieder vermisst.

Bremen ist eine Stadt, die sich schwer tut, Konflikte auch mal wirklich offen auszutragen und am Ende zu Entscheidungen zu kommen, die das Wort „Entscheidung“ verdienen. Und auch die Konsistenz politischer Beschlusslagen ist in Bremen sicher noch steigerungsfähig.

Ein Beispiel?

Die Bürgerschaft beschließt den Kulturhaushalt. Dann gehen einzelne Politiker, die gerade noch den Haushalt mitbeschlossen haben, in Einrichtungen und sagen: Wir sorgen dafür, dass Sie mehr Geld kriegen, als beschlossen wurde. So wird der Kultursenator von einer Front aus Einrichtungen und Lobbys getrieben, mehr Geld als im Haushalt verfügbar zu generieren. Dabei gerät er wiederum unter erheblichen Druck von Haushaltspolitikern und vom Senat, weil er versuchen muss, die ursprüngliche Haushaltsbeschlusslage zu verändern.

Letztlich werden in einem großen Kraftakt Schattentöpfe neben dem Haushalt aufgestellt, aus denen Einrichtungen zusätzliches Geld bekommen, dessen Einsatz aber nicht mehr allein vom Kultursenator gesteuert sondern von anderen Bereichen zumindest mitverwaltet wird. So wird der Kultursenator mit seinen Exekutivorgaben immer wahrgenommen als der ewige Sparer, der nie genug Geld hat. Zugleich haben dann andere Akteure ihre Hand auf dem zusätzlichen Geld, das oben drauf kommt.

Und mit fast jeder Kürzungsrunde im grundständigen Kulturetat werden neue Player mit neuen Schattentöpfen ins Spielfeld der Kulturförderung gehoben. So wird es für den Kultursenator immer schwieriger, das Feld der Kulturförderung ganzheitlich und strategisch zu steuern: Eine strategische Prioritätssetzung kann unter solchen Voraussetzungen erfolgreich nicht stattfinden. Diese Lage habe ich nun fast sechs Jahre lang unter fünf Senatoren in Folge erlebt.

Welche Aufgabe hat die k.m.b.?

Die k.m.b. ist ein Instrument der Exekutive mit der Aufgabe, die Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Lage der Kulturlandschaft entsprechend der kulturellen Förderziele Bremens zu stabilisieren. Wenn Sie heute in Zeiten schrumpfender öffentlicher Haushalte Kulturförderung machen, brauchen Sie vier wesentliche Kompetenzen: kulturfachliches know-how, Kompetenz in betriebswirtschaftlichen Fragen, in strategischer Organisationsentwicklung und Kompetenz in Verwaltungsverfahren. Die k.m.b. hat vor allem auf den drei letzteren Kompetenzfeldern einen Arbeitsauftrag. Die kulturfachliche Betreuung der Kulturlandschaft sollte nach wie vor bei der Verwaltung als Zuständigkeit verbleiben – an diese Aufgabenteilung hat sich die k.m.b. strikt gehalten und die eigene kulturfachliche Kompetenz ausschließlich nach innen in Projekte eingebracht.

Die geförderten Einrichtungen sollen nach Auffassung der k.m.b. ihre Arbeit entsprechend ihrer rechtlichen Verselbständigung operativ frei bewirtschaften. Allerdings gibt es gegenüber dem Finanzträger, der Stadt Bremen, klare Verantwortungs- und Rechenschaftspflichten, die in der Vergangenheit nicht immer befolgt wurden. Hier musste die k.m.b. entsprechende Verfahren einführen.

Kultursenator Gloystein stimmt inzwischen einer Auflösung der kmb zu. Wie sollte es Ihrer Meinung nach mit der kmb weitergehen?

Der Kultursenator braucht eine leistungsfähige zeitgemäße Steuerung seiner Förderaktivitäten. Eine seit sechs Jahren nicht reformierte Kulturabteilung, permanente Stellvertreterauseinandersetzungen um die k.m.b. und nun auch noch ein sich abzeichnender diesbezüglicher Koalitionsstreit – all das droht für den Kultursenator zu einer dauernden Lähmung der Arbeitsfähigkeit zu führen. Trotz aller Vorteile der Rechtsform der GmbH ist es vor diesem Hintergrund sinnvoller, die Leistungsfähigkeit der k.m.b. in die Verwaltung zu integrieren.

Interview: Klaus Irler