KOSOVO: DER NEUE PREMIERMINISTER IST NICHT VORZEIGBAR
: Da freuen sich die Serben

Der ehemalige UÇK-Militärkommandeur Ramush Harandinaj wird Premierminister Kosovos – obwohl er wegen möglicher Verbrechen an der serbischen Bevölkerung ins Visier des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag geraten ist und seit Kriegsende in dubiose Geschäfte verstrickt sein soll. Vielleicht hat die Instinktlosigkeit der politischen Szene im Kosovo mit der Jahrzehnte dauernden Isolation des Landes zu tun. Begrenzt vom Eisernen Vorhang um das kommunistische Albanien, herabgedrückt zum Armenhaus Jugoslawiens, unterdrückt durch die serbische Bürokratie und das Militär, seit 1999 bevormundet durch die Bürokraten der UN-Mission und immer noch im Ungewissen, ob das Kosovo nicht doch wieder an Serbien angeschlossen wird, haben die Kosovaren in ihrem Leben niemals „Normalität“ erfahren.Wie und woher hätten sie Weltläufigkeit lernen sollen?

Doch was jetzt passiert, ist mehr als eine Provinzposse und nicht nur mit Unerfahrenheit zu erklären. Indem Präsident Ibrahim Rugova die Wahl von Harandinaj zum Premierminister zulässt, verschlechtert er seine Ausgangsposition bei den Verhandlungen über den Status des Kosovos im nächsten Jahr. Mit jemandem, der in Den Haag beobachtet wird und der zu den beiden Personen im Kosovo gehört, denen der deutsche Außenminister Joschka Fischer nach eigenem Bekunden nicht einmal die Hand reichen würde, kann Rugova international nicht antreten. Die sind aber nötig, um den Wunsch der Bevölkerung nach einem demokratischen Kosovo und staatlicher Unabhängigkeit zu erreichen. Belgrad und die serbischen Nationalisten im Kosovo können sich die Hände reiben. Harandinajs schlechter Ruf hilft ihnen sehr.

Nicht einmal das Argument, nur ein UÇK-Führer könne mit den Serben Frieden schließen, weil er diesen auch garantieren kann, sticht im Falle Harandinajs. Denn der weitaus populärere Hashim Thaci könnte dies wohl besser. So schrumpft Rugovas Politik auf das Interesse, seine Partei und seine Klientel mit mehr Einfluss und Posten zu befriedigen. Eine große politische Idee ist zur kleinlichen Machtpolitik verkommen. ERICH RATHFELDER