EU-PARLAMENT WILL SICH UNGEEIGNETE KOMMISSARE VORNEHMEN
: Schlecht arbeiten, schlecht schlafen

Nach sechs aufregenden Wochen hat Europa ein neues Führungsteam. Wem aber hat der Wirbel am Ende genutzt? Das Parlament ist stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt und wird gegenüber dem Rat und der Kommission ein gestiegenes Selbstbewusstsein an den Tag legen. Ist aber auch die Kommission gestärkt worden, wie Sozialistenchef Martin Schulz behauptet? Sicher nicht. Lediglich die italienische Regierung nahm ihren Kandidaten zurück, und in Lettland entstand durch eine Regierungskrise ein vorübergehendes Machtvakuum – nur deshalb konnte Kommissionspräsident Barroso zwei von eigentlich mindestens sieben Problemkandidaten austauschen.

Der Abgeordnete Jean-Louis Bourlanges lag ganz richtig, als er die beiden Erklärungsmöglichkeiten beschrieb: Entweder sei die fragwürdige Personalauswahl und die noch fragwürdigere Aufgabenverteilung in der neuen Kommission auf Barrosos Mist gewachsen. Oder Barroso hänge an der ganz kurzen Leine der Regierungen und hätte deshalb keinerlei Spielraum gehabt, um zum Beispiel der niederländischen Managerin Neelie Kroes ein anderes als ausgerechnet das Wettbewerbsressort zu überlassen. Auch in seinem Ergebnis hat Bourlanges Recht: Beide Varianten sind ein Armutszeugnis für den neuen Kommissionschef.

Wenn Barroso in den nächsten fünf Jahren mehr sein will als die Marionette der europäischen Regierungen, muss er sich Rückendeckung beim Parlament holen. Das Plenum verlangte gestern in einer Entschließung, dass jeder einzelne Kommissar den Abgeordneten rechenschaftspflichtig werden solle. Fordern sie seinen Rücktritt und der Kommissionspräsident widersetzt sich, muss er seine Entscheidung vor dem hohen Haus begründen.

Das bedeutet noch kein Mitspracherecht des Parlaments bei der Zusammenstellung einer neuen Kommission. Aber Neelie Kroes und die anderen Problemkandidaten wüssten sich in ihrer Amtszeit unter ständiger öffentlicher Kontrolle. Einer solchen Vereinbarung muss jedoch auch der Rat zustimmen. Und da der Einfluss der Regierungen auf die Kommission deutlich zurückgedrängt würde, werden sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren. DANIELA WEINGÄRTNER