Die Provinz Kosovo hat eine neue Koalitionsregierung

Exkommandeur der UÇK, Ramush Harandinaj, wird Regierungschef. Ihm könnte bald eine Anklage des UN-Kriegsverbrechertribunals drohen

SARAJEVO taz ■ Vier Wochen nach den Wahlen gibt es im Kosovo jetzt eine neue Regierung. Überraschend wurde Ex-UÇK-Kommandeur Ramush Harandinaj von der „Allianz für den Fortschritt“ zum Premierminister bestimmt. Noch vor Tagen galt als eigentlicher Favorit für diesen Posten der ehemalige UÇK-Führer Hashim Thaci von der „Demokratischen Partei Kosova“. Dem Kabinett werden die mit 45 Prozent der Stimmen gewählte Wahlsiegerin „Demokratische Liga Kosova“ (LDK), die „Allianz für den Fortschritt Kosova“ (AAK), die Albanische „Christ-Demokratische Partei Kosova“ (PShDK) und Vertreter nichtserbischer Minoritäten angehören.

Die „Demokratische Partei“, die 28 Prozent der Stimmen gewonnen hatte und an der bisherigen Regierungskoalition beteiligt war, wird damit in die Opposition gezwungen. Auch die neu entstandene Partei ORA (Stunde) des Verlegers und Intellektuellen Veton Suroi ist nicht in der Regierung vertreten. Die serbische Minderheit hatte die Wahlen weitgehend boykottiert und spielt bei der Regierungsbildung keine Rolle.

Dass Ramush Harandinaj, dessen Partei bei den Wahlen lediglich knapp 9 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, Premierminister wurde, kam überraschend. Erst kürzlich war Harandinaj von Ermittlern des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag vernommen worden. Noch vor wenigen Wochen war in Prishtina mit der baldigen Verhaftung des Exkommandeurs gerechnet worden. Bisher hat das Tribunal gegen Harandinaj zwar noch keine Anklage erhoben, er wird jedoch verdächtigt, während des Krieges in Verbrechen an serbischen Zivilisten verwickelt gewesen zu sein.

Nach dem Krieg wurde er in „seiner“ Region in Westkosovo um die Stadt Peja (Pec) mit fragwürdigen Geschäften und sogar Schutzgelderpressungen in Verbindung gebracht. Dass der als liberal-konservativ geltende Präsident und Vorsitzende der größten Partei, Ibrahim Rugova, die große Koalition zwischen Thaci, Harandinaj und seiner Partei platzen ließ und nur mit Harandinaj regieren will, hat nach diplomatischen Quellen aus Prishtina damit zu tun, dass seine LDK nun über neun Minister verfügen wird. Die AAK und die Minoritäten erhalten jeweils drei Ministerien. Damit wäre Rugova in der Lage, seine Klientel mit mehr Posten als vorher zu versorgen.

Die UN-Mission im Kosovo hält sich bislang mit Kommentaren über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zurück. Man wolle sich nicht in die Angelegenheiten einmischen, das gewählte Parlament und die Parteien hätten das Recht, ihre Regierung zu bestimmen, hieß es aus der Unmik. Doch sei auch klar, dass die Wahl Harandinajs zum Premierminister ihn nicht vor Strafverfolgung schützen könne.

Falls das Kriegsverbrechertribunal Anklage erheben wolle, könne es dies tun. Bei den 2005 beginnenden Verhandlungen über den endgültigen Status des Kosovo – bisher gehört die von 90 Prozent Albanern bewohnte Provinz zu Serbien-Montenegro, wird aber seit der Nato-Intervention 1999 von der UN verwaltet – würden jedoch auch die Oppositionsparteien einbezogen werden, erklärten diplomatische Quellen. Darin seien sich offenbar alle Parteien im Kosovo einig. ERICH RATHFELDER

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