: 3.600 Leerstellen auf dem Ausbildungsmarkt
Die Sonderkommission „Ausbildungsplatzsituation“ hat die Lage im Lehrstellensektor analysiert und eine negative Bilanz gezogen. Auch für 2004 wird keine Besserung erwartet. Im März sollen positive Maßnahmen diskutiert werden
In diesem Jahr blieben mehr als 3.618 Jugendliche ohne Lehrstelle. Und die Aussichten für die Schulabgänger des kommenden Jahres sehen nicht besser aus. Das konstatierte die Sonderkommission „Ausbildungsplatzsituation“ nach ihrer gestrigen Bilanz, in der sie die Lage auf dem Berliner Lehrstellenmarkt analysierte. Der Kommission gehören Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaft an, die nach einvernehmlichen Lösungen suchen, um die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zu entschärfen. Bis zum März will sie konkrete Maßnahmen vorstellen, versprach Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS).
Eine Art konzertierte Aktion also, deren Aktionen bis jetzt noch keine durchschlagenden Wirkungen zeitigten. Denn im Vergleich zum Vorjahr klaffte die Lücke zwischen Bewerbern und Lehrstellen in diesem Jahr sogar noch weiter auseinander; es gab über 32.000 Bewerber, knapp 5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Zahl der betrieblichen Stellen sank demgegenüber auf rund 10.000. Die Mehrheit der Ausbildungssuchenden verharrte also im öffentlichen Sektor: Ihre betriebliche Lehrstelle wurde mit öffentlichen Geldern gesponsert, oder sie waren in staatlichen Qualifizierungsmaßnahmen untergebracht oder schlicht beschäftigungslos. Gleichzeitig gibt es zu Beginn eines jeden Ausbildungsjahres einen Stau von etwa 12.000 Jugendlichen, die aufgrund gescheiterter Bewerbung in Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen vorübergehend „geparkt“ sind.
Als beschäftigungssteigernde Maßnahme schlug Werner Gegenbauer von der Industrie- und Handelskammer (IHK) vor, die Zahl der Abbrecher zu reduzieren. Rund 2.800 Lehrlinge jährlich würden die Lehre in der Probezeit abbrechen oder rausgeworfen. Auch müssten Teilqualifikationen stärker gefördert werden. Mehr Hilfskellner und Bauhelfer also. Zugleich regte der IHK-Chef an, gewisse Bestimmungen im Jugendarbeitsschutz zu überprüfen: „Man muss schauen, inwieweit das Nachtarbeitsverbot noch aktuell ist.“ Er begründete das mit dem Anstieg der Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich und den dortigen besonderen Bedingungen.
Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) will stärker mit den Schulen kooperieren. Dort könnten Einführungskurse angeboten werden, die einen glatten Wechsel von der Schul- in die Arbeitswelt vorbereiten.
Der Landesvize des DGB, Bernd Rissmann, unterstrich hingegen, dass es vor allem notwendig sei, die Zahl der ausbildenden Betriebe zu erhöhen. Er verwies auf die geplante Ausbildungsabgabe, die die SPD im November als Gesetzesvorlage beschlossen hatte. Auch wenn das nicht die ideale Lösung sei, sagte Rissmann, so sehe er derzeit doch keine vielversprechenderen Ansätze. IHK und Unternehmerverband lehnen die Abgabe „klar“ ab.
ANNA LEHMANN
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