Grüße an den lieben Roland

Streikende Studierende gehen dahin, wo es wehtut: in Roland Kochs hessische Landesvertretung. Ansonsten machen sie den Stadtbummel nach wie vor zum Erlebnis. Freie Universität beschließt unbefristete Fortsetzung des Protests

Mit der (Menschen-)Masse ist das so eine Sache. Um sie in Bewegung zu bringen, braucht es Energie, wie die Streikinitiatoren seit Wochen leidvoll erfahren. Knapp 40 Physikstudenten der großen Berliner Unis gingen das Thema Massenbewegung gestern mal theoretischer an. Sie starteten um zwölf Uhr auf dem Potsdamer Platz einen Veranstaltungsmarathon. Motto: „Physik, solange der Vorrat reicht: Alles muss mit!“ 36 Veranstaltungen in 72 Stunden sind geplant, den Anfang machten die Geheimnisse der Quantenmechanik; Abhandlungen über Atomaufbau bis zum Urknall sollen noch folgen.

Die Physiker reihten sich ein in den Reigen der Protestler, die wieder an verschiedensten Orten in der Stadt aktiv waren: Angehende Wirtschaftswissenschaftler der Humboldt-Universität (HU) hielten vor dem Roten Rathaus eine Open-Air-Vorlesung ab, dazu gesellten sich Studierende der von der Schließung bedrohten Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät, ebenfalls HU. Standesgemäß nahmen diese auf Strohballen im Halbrund um den Dozenten Platz. In der Friedrichstraße in Mitte formierten sich am Nachmittag rund 400 Medizinstudenten zu einer „Kittelkette“.

Die wieder beliebter werdende Protestform der Besetzung praktizierten 20 Studierende, die sich ins Foyer der hessischen Landesvertretung hockten. „Wir wollten eine Solidaritätsadresse an die hessischen Studis schicken“, sagte Hendrik Süß, einer der Besetzer. Den hessischen Kommilitonen drohen ebenfalls drastische Sparmaßnahmen und Studiengebühren. Die Berliner Besetzer hängten ein Transparent in die Landesvertretung: „Berlin grüßt Hessen. Wowi und Koch gemeinsam stürzen“. Die von aufgeregten Vertretungsangestellten herbeigerufene Polizei drohte zwar mit Räumung, habe dann aber „eine gütliche Einigung“ vorgeschlagen, so Süß. Nach einer guten halben Stunde zogen die Besetzer ab.

Die mit Besetzungen erfahrene PDS übte sich gestern – trotz ungebetenen Besuchs in Senatorenbüro und Parteizentrale letzte Woche – wieder in verbaler Umarmung. Die Streiks seien eine Emanzipierung, die jedem nütze, sagte Carl Wechselberg, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion.

Ein Ende der Proteste ist nicht abzusehen. Die Vollversammlung der Freien Universität beschloss gestern die unbefristete Fortsetzung des Streiks. Da aufseiten des Senats keine Verhandlungsbereitschaft erkennbar sei, würden die Protestaktionen wie die Besetzung von Gebäuden weitergehen, sagte ein Sprecher der FU-Studenten. Jetzt gehe es darum, möglichst breite Unterstützung für die am 13. Dezember geplante bundesweite Demonstration gegen Bildungs- und Sozialabbau zu mobilisieren, sagte der Sprecher. EGG, TOR