Wie nur Sozialisten siegen

Bei der Wahl zum Parlament der Jüdischen Gemeinde erringt die Gruppe des Notars Albert Meyer ein Traumergebnis von 95 Prozent. Einzige Opposition: der bisherige Gemeindechef Alexander Brenner

VON PHILIPP GESSLER

Als Albert Meyer Mitte September mit seiner Gruppe „Kadima – Vorwärts“ eine Zweidrittelmehrheit bei den Wahlen in der Jüdischen Gemeinde errang, sprachen einige von einem Erdrutschsieg. Die Frage ist, wie der jetzige Sieg seiner Gruppe bei der Wiederholungswahl vom Sonntag zu bezeichnen wäre – die Vereinigung des Rechtsanwalts und Notars erhielt sensationelle 95 Prozent der Stimmen.

Damit steht so gut wie fest, dass der 56-Jährige in ein paar Wochen, voraussichtlich Anfang Januar, zum neuen Vorsitzenden der mit etwa 12.000 Mitgliedern größten jüdischen Gemeinde der Bundesrepublik gewählt wird. Er würde Nachfolger des bisherigen Vorsitzenden Alexander Brenner, der vor zwei Jahren an die Spitze der Gemeinde gewählt worden war. Im zukünftigen Gemeindeparlament, der Repräsentantenversammlung (RV), ist der 70-jährige Exdiplomat der Einzige, der nicht der Gruppe Meyers angehört.

Die Wahlen im September waren die ersten vorgezogenen Wahlen seit 1945. Sie waren nötig geworden, weil Brenner und sein fünfköpfiger Vorstand sowie die ganze RV heillos zerstritten waren. Nach dem klaren Sieg Meyers mit Kadima im September war jedoch der Vorwurf des Wahlbetrugs aufgekommen.

Auch wenn ein Schiedsausschuss der Gemeinde diesen Vorwurf nach einer Untersuchung verneinte, wurde eine Unregelmäßigkeit eingeräumt, weshalb es zur jetzigen Wiederholungswahl kam. Sollten Meyer-Gegner gehofft haben, mit der Wahlanfechtung die Kadima-Gruppe zu schwächen, ist dieser Schuss nach hinten los gegangen.

„Das sind Ergebnisse, die eigentlich in demokratischen Staaten nicht stattfinden“, sagte Meyer ironisch in einer ersten Reaktion nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse gestern morgen. Er erklärte das unerwartet klare Ergebnis zu einem eindeutigen Beweis für den „starken Wunsch nach massiver Veränderung und stabilen Verhältnissen“. Die vordringlichste Aufgabe sei es nun, die Finanzen der Gemeinde zu ordnen und sie aus den Schlagzeilen zu bekommen. Brenner sagte, es bleibe abzuwarten, ob eine RV „ganz ohne Opposition nicht zu viel des Guten“ sei.

Mit gewissen Einschränkungen sind mit Kadima die eher liberalen, in Berlin etablierten Mitglieder der Gemeinde gewählt worden. Es gibt nur einen Wermutstropfen im Triumph Meyers: Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 35 Prozent.