Im Sieg wird Sarrazin bescheiden

SPD und PDS folgen dem Finanzsenator bei der Interpretation des Haushaltsurteils. Die neue Sparrunde fällt dafür maßvoll aus. Kitas und Bildung werden geschont

Andernorts ist ein Treffen des Koalitionsausschusses ein Zeichen von Unstimmigkeit, gar Koalitionskrisen. Nicht so im rot-roten Berlin. Hier sind sich die Spitzen von SPD und PDS so einig, dass auch in diesem Gremium die Fronten selten zwischen den beiden Parteien verlaufen. Wie gestern: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, SPD-Landeschef Peter Strieder, der Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und Wirtschaftssenator Harald Wolf, Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner, Partei- und Fraktionschef Stefan Liebich sowie als Gast der Abgeordnete und Finanzexperte Carl Wechselberg (alle PDS) trafen sich, um eine gemeinsame Interpretation des Haushaltsurteils des Landesverfassungsgerichts zu vereinbaren.

Die war rasch gefunden: Berlin wird sich im kommenden Haushalt auf seine „extreme Haushaltsnotlage“ berufen und nicht auf die „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“. Dieser Unterschied ist wichtig: Eine Argumentation mit dem „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht“ hätte ermöglicht, Ausgaben mit einer unterstellten konjunkturfördernden Wirkung zu begründen. Die „Notlage“ hingegen setzt einen engeren Rahmen: Streng genommen wären jetzt nur noch bundesgesetzlich vorgeschriebene und direkt aus der Landesverfassung ableitbare Ausgaben möglich.

So weit ein Sieg für Sarrazin: Er hatte auf die „Notlage“ gesetzt und war damit in einen heftigen Briefwechsel mit Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) geraten, die sich keynesianisch auf die Gleichgewichtsinterpretation berufen wollte. Gestern schlossen sich nicht nur die führenden Sozialdemokraten, sondern auch die PDS-Politiker der Ansicht des Finanzsenators an.

Im Sieg blieb Sarrazin dann bescheiden: Für die nun anstehende zusätzliche Sparrunde machte er nur maßvolle Vorschläge. Bei großen Kostenverursachern wie Kitas, Bildung und Wissenschaft soll es keine neuen Einschnitte geben. Auch bei den Sozialausgaben gebe es, so ein Teilnehmer, „keinen wesentlichen Handlungsbedarf“. So geht Sarrazin nur mit einer kurzen Liste noch strittiger Punkte in die „Chefgespräche“ mit den anderen Senatoren. Für viele Punkte zeichnen sich schon Lösungen ab. So wird der Zuschuss für Zoo und Tierpark – eine klassische Überausstattung – wohl um eine zusätzliche Millionen gekürzt.

Der vorgelegte Etatentwurf für 2004/05 ist Teil der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Ihn wesentlich zu verändern hieße, die eigene Klage zu entwerten. Wird er jedoch nicht verändert, ignoriert der Senat das Haushaltsurteil des Landesverfassungsgerichts. Dieses Dilemma führt zu rhetorischen Drahtseilakten: „Der Haushaltsentwurf bewegt sich jetzt schon dicht an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit“, erklärte Sarrazin gestern. ROBIN ALEXANDER