Polizei drohte mit dem Folterprofi

In Frankfurt begann gestern der Prozess gegen die Polizisten, die einem Kindesentführer mit der Aussicht auf „fürchterliche Schmerzen“ ein Geständnis abgepresst hatten. Die Angeklagten sagen, ihre Drohung sei mit dem Polizeigesetz vereinbar

AUS FRANKFURT AM MAIN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„BRD – Folterstaat. Wir haben dich zum Kotzen satt!“ Demonstranten in schwarzer Kluft protestierten gestern vor dem Gerichtsgebäude in Frankfurt am Main. Drinnen vor der 27. Strafkammer am Landgericht begann das Verfahren gegen die Frankfurter Polizisten Wolfgang Daschner und Ortwin E. Sie sollen dem Entführer Magnus Gäfgen mit Folter gedroht haben.

Die Staatsanwaltschaft am Landgericht wirft den beiden erfahrenen Polizeibeamten „Nötigung in einem besonders schweren Fall“ vor. Mit dem Androhen von Gewalt hätten sie ihre „beruflichen Befugnisse missbraucht“. Ein Verstoß gegen die Artikel 1 und 3 im Grundgesetz und gegen die Paragraphen 240 und 241 des Strafgesetzbuches. Als die Drohung herauskam, wurde Daschner zwar versetzt, amtiert aber formal noch immer als Vizepolizeipräsident von Frankfurt.

Auf Befehl von Daschner hatte der Verhörspezialist E. dem Entführer und Mörder des elfjährigen Bankiersohnes Jakob von Metzler, dem Jurastudenten Magnus Gäfgen, drei Tage nach dessen Festnahme mit der Anwendung „unmittelbaren Zwanges“ (Daschner) gedroht. Der 51-jährige E. sagte gestern, er habe er dem der Entführung dringend verdächtigen Gäfgen, am 1. Oktober 2002 die baldige Ankunft eines Spezialisten avisiert, der sich darauf verstehe, anderen Menschen fürchterliche Schmerzen zuzufügen. Gäfgen hatte sich hartnäckig geweigert, den Aufenthaltsort des kleinen Jakob, „um dessen Leben alle fürchteten“ preiszugeben. Nach der Drohung habe Gäfgen aber sofort ein Geständnis abgelegt und den Ort genannt, an dem er die Leiche des Jungen versteckt hatte. Er hatte Jakob von Metzler gleich nach der Entführung erstickt. Das Gericht, das Gäfgen im April 2003 wegen Menschenraub und Mord zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte, nannte die Tat des Studenten einen „brutalen Tötungsvorgang“.

Sowohl E. als auch Daschner legten gestern wiederholt Wert auf die Feststellung, dass Gäfgen nicht gefoltert worden sei. Beide Beamte hätten sich „in dieser extremen Notsituation“ aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für das Anwenden „unmittelbaren Zwanges“ entschieden. Daschner und E. sagten, sie hätten nur zwei Alternativen gehabt: entweder dem Tatverdächtigen Gäfgen mit „unmittelbarem Zwang“ zu drohen, um das Leben des Kindes zu retten. Oder auf solche Maßnahmen zu verzichten und damit den qualvollen Tod des Jungen, der in wenigen Stunden zu erwarten war, billigend in Kauf zu nehmen. Danach sei ihnen wahrscheinlich unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen worden, meinten die Angeklagten. Dass Jakob schon seit drei Tagen tot war, wussten die Beamten noch nicht. Daschner berief sich auf das Hessische Polizeigesetz, das die Anwendung von „unmittelbarem Zwang“ in bestimmten Not- und Gefahrensituationen erlaube.

„Unmittelbarer Zwang“, behauptete E., werde von Polizisten doch täglich ausgeübt: Bei der Ruhigstellung renitenter Demonstranten etwa; oder bei der Festnahme von Gewalttätern. Gäfgen hätte sogar ganz legal mit einem „finalen Rettungsschuss“ getötet werden können, wenn der entführte Junge damit aus einer unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben hätte gerettet werden können.

Dass sie von den Medien permanent mit dem Vorwurf überzogen werden, den Entführer gefoltert zu haben, halten die beiden Polizeibeamten für „absurd“. Gäfgen sei schließlich „kein Haar gekrümmt“ worden: „Gefoltert und getötet wurde Jakob von Metzler; nicht Magnus Gäfgen“, sagte E. in seiner Erklärung.