Streit in der Alleanza Nazionale

Die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini verlässt Italiens postfaschistische Partei, nachdem deren Chef Gianfranco Fini den Bruch mit den alten Idealen verordnet

ROM taz ■ Fast genau 75 Jahre nach dem ersten Anlauf bekommt Italien wieder eine Partei unter Führung Mussolinis: Die Duce-Enkelin Alessandra ist aus der postfaschistischen Alleanza Nazionale (AN) ausgetreten und will bei den Europawahlen im nächsten Jahr mit einer eigenen Formation kandidieren.

Ausgelöst wurde der Abschied im Zorn durch den Parteivorsitzenden und Vize-Ministerpräsidenten Gianfranco Fini. Der hatte vor einer Woche auf Staatsbesuch in Israel ein paar Selbstverständlichkeiten gesagt: dass Mussolinis Rassegesetze „infam“ gewesen seien, dass das faschistische Regime sich durch die Mitwirkung an der Shoah als „das absolute Böse“ diskreditiert habe, dass Mussolinis Republik von Salò (1943–45) ein „beschämenswertes Kapitel“ der italienischen Geschichte darstelle.

Gar nicht selbstverständlich sind diese Äußerungen allerdings für eine Partei, deren Vorläufer Movimento Sociale Italiano noch bis 1993 offen faschistisch war, die weiterhin das alte Parteisymbol, die aus Mussolinis Sarkophag lodernde Flamme, in ihrem Wappen führt und deren Parteitagsdelegierte noch vor fünf Jahren zu 65 Prozent dem Faschismus positive Seiten abgewinnen konnten. Zwar bekennt sich die AN heute zur parlamentarischen Demokratie; mit den Idealen des Faschismus aber hat die Partei in den letzten zehn Jahren nie offen abgerechnet. Im Gegenteil: Zahlreiche Lokalpolitiker der AN richten noch heute „kulturelle“ Tagungen aus, in denen die guten alten Duce-Zeiten gefeiert werden, oder sie benennen Straßen und Plätze nach Größen der Diktatur.

Fini hat diese Haltung nie offen konterkariert; er tat aber alles, um die AN demokratisch präsentabel zu machen. Jetzt sah er den Moment gekommen, seiner Partei den offenen Bruch mit den alten Idealen zu verordnen. Nur so nämlich – dies Finis Kalkül – kann sie die demokratische Legitimation erhalten, die ihrem Vorsitzenden erlauben würde, nach dem Amt des Regierungschefs zu streben.

Zwar werden nach Finis Vorstoß die wenigsten Mitglieder der seit je als Paradiesvogel angesehenen Alessandra Mussolini folgen. Die stramm Rechten um den Präsidenten der Region Latium, Francesco Storace, haben jedoch schon den offenen Kampf gegen die antifaschistische Wende angekündigt.

Unterstützung bekam Fini dagegen vom Mehrheitsflügel. Dessen Chefs verkündeten am Wochenende, der AN-Vorsitzende könne auf sie zählen. In der Sache jedoch beraubten sie Finis Distanzierung vom Faschismus jeder Substanz. So erklärte einer ihrer Frontleute unter dem rauschendem Beifall einer Delegiertenkonferenz, Fini habe gut daran getan, den Faschismus als das „absolut Böse“ einzuordnen. Damit nämlich sei die Partei endlich frei, „ohne Komplexe“ auch die „zahlreichen positiven Seiten“ des Faschismus herauszustellen. MICHAEL BRAUN

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