Beim Nordderby verschwunden

PROZESS Bewährungsstrafe für Bierläufer: Statt im Weserstadion Getränke zu verkaufen, war 31-Jähriger mit Wechselgeld durchgebrannt

Es sah alles nach einem feuchtfröhlichen Nachmittag aus: Während Werder Bremen vergangenen Dezember den VFL Wolfsburg besiegte, verließ der 31-jährige Bremer L. plötzlich das Weserstadion. Dort hätte er als Bierläufer für ein Gastro-Unternehmen arbeiten und auf den Tribünen Getränke verkaufen sollen.

Auf einer Toilette ließ L. jedoch seinen Rucksack mit einem leeren 12,5-Liter-Bierfass zurück. Mitgenommen hatte er einen Geldbeutel, Einnahmen und Wechselgeld sowie eine Jacke, Teil der Bierläufer-Ausstattung. Etwa 220 Euro Schaden. Am Dienstag verhandelte das Amtsgericht wegen Unterschlagung.

Dabei wirkte der Fall jedoch wenig komisch. Die Erinnerung sei nur noch „schemenhaft“, gab L. an, der ohne Anwalt erschien. Er habe einen Drogenrückfall erlitten und an jenem Tag im Dezember Heroin und Medikamente konsumiert. Zuvor sei er zeitweise clean gewesen. „Was mich dazu bewegt hat, mit dem Geld durchzubrennen, weiß ich nicht mehr“, sagte L. und entschuldigte sich bei seinem Ex-Chef, der als Zeuge auftrat.

L. versuchte zunächst, die Unterschlagung zu vertuschen. In einer E-Mail an die Frau seines Ex-Chefs, die der Richter vorlas, erklärte er sein Verschwinden: Beim Toilettengang seien ihm Geldbeutel und Jacke gestohlen worden. Er habe dann das Stadion verlassen. „Eine Kurzschlussreaktion“, so L. in der Mail, „für die ich aufkommen muss“. Seinem Ex-Chef P. reichte das nicht: Er habe L. eine Frist gesetzt, um „das Minus auszugleichen“. Nach deren Ablauf zeigte er L. an, der vor Gericht erklärte, bereit gewesen zu sein, das Geld in Raten zurück zu zahlen. „Als Selbständiger“, sagte P., „muss ich auch mal Anzeige erstatten“. Ls. Drogensucht sei ihm nicht aufgefallen.

Die Anklage war nicht die erste für L. Er verbüßt derzeit zwei Bewährungsstrafen wegen Computerbetrugs und Diebstahls. Unterschlagungen, Diebstähle geringwertiger Sachen und Körperverletzungen listet sein Strafregister auf. Seine Bewährungshelferin, die ihn vor Gericht begleitete, beschrieb L. als bemüht, „wieder Tritt im Leben zu fassen“. Dabei durchlebe er die „Hochs und Tiefs eines Abhängigen“. L. sagte, er sei derzeit substituiert und suche einen Entgiftungsplatz, um danach eine Therapie zu beginnen.

Das Gericht erklärte L. für vermindert schuldfähig und verurteilte ihn zu drei Monaten auf Bewährung. „Es muss ihnen aber klar sein, dass das die letzte Bewährungsstrafe für sie ist“, mahnte die Staatsanwältin.

TERESA HAVLICEK